Sicherheitsmitarbeiter stehen regelmäßig vor emotional aufgeladenen Situationen. Wenn solche Vorfälle nicht professionell entschärft werden, können sie sich schnell hochschaukeln und zu handfesten Auseinandersetzungen führen. Unangemessenes Handeln durch Sicherheitspersonal zieht oft rechtliche Probleme und Imageschäden nach sich. Fälle, in denen Sicherheitskräfte wegen überzogener Gewaltanwendung angeklagt wurden, oder in denen aggressives Vorgehen zu Verhaftungen führte, zeigen die Risiken einer Eskalation. Dies schädigt nicht nur die Reputation des Auftraggebers, sondern erhöht auch Haftungsrisiken.
Moderne Sicherheitskonzepte setzen daher auf Deeskalation statt Konfrontation. Das Ziel ist, Konfliktmanagement zum festen Bestandteil von Schulung und Einsatzabläufen zu machen. In Ausschreibungen für Empfangsdienste, Zugangskontrollen, Objektschutz oder Veranstaltungssicherheit sollte der professionelle Umgang mit Konfliktpersonen als verbindliche Anforderung verankert werden. So wird sichergestellt, dass alle Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen über entsprechende Konzepte verfügen und Personal einsetzen, das sicher, deeskalierend und im Sinne der Markenwerte des Auftraggebers handelt.
Auftraggeber sollten die Leistung des Dienstleisters auch in diesem Punkt überwachen und auditieren, etwa durch angekündigte oder unangekündigte Drills, Mystery Guests oder regelmäßige Auswertung von Zwischenfallberichten. So wird Konfliktmanagement zu einem lebendigen Bestandteil der Sicherheitsdienstleistung – zum Schutz von Menschen, zur Wahrung der Marke und zur Sicherstellung eines rechtlich einwandfreien Auftretens der Sicherheitskräfte im Alltag.
Ausschreibungsanforderungen – Was Bieter vorlegen müssen
Schulung und Training: Das Sicherheitsunternehmen soll darlegen, wie es sein Personal im Erkennen und Entschärfen von Konflikten schult. Dazu gehört eine Ausbildung in verbalen und nonverbalen Deeskalationstechniken, Kommunikationsfähigkeiten (z.B. Tonfall kontrollieren, ruhig und bestimmt auftreten) sowie im frühzeitigen Erkennen von Warnsignalen für Eskalationen. Ebenfalls wichtig ist ein rechtliches Grundwissen, etwa zu Eingriffsrechten und den Grenzen privater Sicherheitskräfte im Umgang mit Bürgerrechten. Gut geschulte Sicherheitskräfte beherrschen solche Techniken und können aufgebrachte Situationen sicher, ruhig und professionell bewältigen.
Standardarbeitsanweisungen (SOPs): Das Konzept soll klare, schrittweise Handlungsanweisungen für typische Konfliktsituationen enthalten. Dies umfasst Richtlinien, wie Reklamationen oder Beschwerden höflich anzunehmen sind, wie Unbefugten der Zutritt respektvoll aber bestimmt verweigert wird und wie bei Drohungen oder verbaler Aggression zu reagieren ist. Dabei muss auch definiert sein, welche Maßnahmen vom Empfangspersonal, vom Kontrollraumpersonal oder von Streifenkräften jeweils zu ergreifen sind, damit alle Rollen abgestimmte und einheitliche Reaktionen zeigen. Einheitliche Protokolle stellen sicher, dass Konflikte standortübergreifend konsistent und kontrolliert gehandhabt werden.
Eskalationsleitfaden: Der Bieter muss darlegen, wann und wie Vorfälle an Vorgesetzte oder Externe eskaliert werden. Das Konzept soll Kriterien definieren, wann eine Vorgesetzter hinzugezogen wird, wann zusätzliches Sicherheitspersonal angefordert werden sollte und ab welchem Punkt die Polizei zu verständigen ist. Beste Praktiken empfehlen, genau festzulegen, ob ein Sicherheitsmitarbeiter zunächst nur beobachtet und beruhigend einwirkt, wann eine mündliche Verwarnung angebracht ist und welche Schritte erfolgen müssen, bevor es überhaupt zu körperlichem Eingreifen kommt. Ebenso sollten technische Hilfsmittel beschrieben werden – z.B. Codewörter oder diskrete Funkmeldungen –, mit denen in brenzligen Situationen unauffällig Verstärkung oder Hilfe angefordert werden kann, ohne die Lage weiter anzuheizen.
Maßnahmen nach einem Vorfall: Schließlich soll das Konzept beschreiben, was im Anschluss an einen konfliktbeladenen Zwischenfall passiert. Dazu zählt die sofortige Meldung und lückenlose Dokumentation des Vorfalls (denn ein detaillierter Bericht ist für spätere Auswertungen oder rechtliche Nachweise unerlässlich). Ebenso erwartet wird ein internes Review: also eine Nachbetrachtung, bei der analysiert wird, wie der Vorfall ablief und was man daraus lernen kann. Idealerweise unterstützt der Bieter auch sein Personal nach belastenden Ereignissen – sei es durch ein Debriefing unmittelbar nach dem Vorfall oder durch weitergehende Betreuungsangebote, um die psychische Belastung zu verarbeiten.
Durch die Verpflichtung, ein derart umfassendes Konfliktmanagement-Konzept in der Angebotsphase vorzulegen, können Auftraggeber sicherstellen, dass jeder Bewerber proaktiv Strategien für den professionellen Umgang mit schwierigen Personen entwickelt hat. Die oben genannten Inhalte (Training, SOPs, Eskalation, Nachbereitung) sollten klar und nachvollziehbar beschrieben sein.
Bewertungskriterien – Wie Auftraggeber diese Komponente beurteilen sollten
Kriterien
Indikatoren
Trainingstiefe
Umfang und Häufigkeit der Schulungen; Realitätsnähe (z.B. regelmäßige Simulationen)
Qualifikation des Personals
Nachweise von Deeskalationstrainings (Zertifikate); Gewichtung von Soft Skills bei Einstellung
Verfahrensklarheit
Vorhandene, rollenbasierte SOPs mit klaren Eskalationsstufen
Ausrichtung an Markenwerten
Betonung von Professionalität, Höflichkeit und Kundenorientierung im Konzept
Praxistauglichkeit
Nachgewiesene Erfahrung aus der Vergangenheit; Fallstudien oder Übungsberichte, die erfolgreiche Deeskalation zeigen
So könnte z.B. ein Anbieter, der umfangreiche Simulationstrainings nachweisen kann, in der Kategorie Trainingstiefe mehr Punkte erhalten – denn praktisches Rollentraining steigert nachweislich die Sicherheit und das Selbstvertrauen der Mitarbeiter im Ernstfall. Ebenso lässt sich positiv bewerten, wenn Mitarbeiter-Zertifikate (etwa in Konfliktlösung oder Deeskalationsmanagement) und eine generell hohe Gewichtung von Kommunikationsfähigkeiten und Empathie bei der Personalwahl erkennbar sind. Klare, schriftlich fixierte Ablaufpläne für verschiedene Szenarien (z.B. “Beschwerde am Empfang”, “Zutrittsverweigerung”, “eskalierende Person am Werktor”) mit definierten Eskalationsschritten zeigen, dass das Unternehmen genau weiß, wie seine Mitarbeiter handeln sollen. Nicht zuletzt sollte geprüft werden, ob das Konfliktkonzept mit der Unternehmenskultur des Auftraggebers im Einklang steht – Sicherheitsmitarbeiter sind oft das erste Gesicht einer Firma, und ihr Verhalten muss zu den Werten passen, die das Unternehmen gegenüber Kunden und Besuchern vermitteln möchte.
Weitere Erwartungen im Rahmen der Ausschreibung
Schulungspläne: Der Anbieter sollte aufzeigen, wie neue Sicherheitskräfte vor Dienstantritt geschult werden und in welchen Intervallen bestehendes Personal Weiterbildungen oder Auffrischungen erhält. Ein konkreter Schulungsplan für die Vertragslaufzeit (mit Trainingsmodulen und Terminen) demonstriert Verbindlichkeit.
Fortbildung und Übungen: Erwünscht sind Nachweise über regelmäßige Auffrischungsschulungen oder praktische Übungen. Szenariobasierte Trainings – etwa Rollenspiele zu Konfliktsituationen – sind besonders wertvoll, da sie das Team auf den Ernstfall vorbereiten. Anbieter, die solche Übungen fest etabliert haben, zeigen, dass sie das Thema ernst nehmen.
Dokumentation und kontinuierliche Verbesserung: Der Bieter sollte darlegen, wie Vorfälle erfasst und ausgewertet werden. Führen sie ein Konflikttagebuch oder digitale Meldesysteme? Nutzen sie diese Daten, um ihre Prozesse stetig zu verbessern? Ein guter Ansatz wäre z.B. die Analyse von Konfliktdaten, um häufige Ursachen zu identifizieren und präventive Maßnahmen abzuleiten. Solch ein Qualitätskreislauf zeigt, dass das Unternehmen lernfähig ist und sich kontinuierlich verbessern will.
Fallbeispiel: Optional können Anbieter gebeten werden, eine kurze Fallstudie beizulegen – entweder aus einem realen Einsatz oder einer Simulation –, in der ein Konflikt professionell entschärft wurde. Anhand eines solchen Beispiels lässt sich beurteilen, wie Theorie und Praxis zusammenwirken. Es demonstriert, dass das Sicherheitsunternehmen in der Lage ist, seine Konzepte im Alltag umzusetzen, und verleiht dem Angebot zusätzliche Glaubwürdigkeit.
Indem Auftraggeber auch diese zusätzlichen Unterlagen fordern, zwingen sie die Bieter, über bloße Versprechungen hinauszugehen. Ein ausformulierter Konzepttext allein reicht nicht – das Sicherheitsunternehmen muss belegen, dass es entsprechende Maßnahmen bereits umgesetzt hat (oder unmittelbar umzusetzen plant). Schulungsnachweise, Übungsprotokolle und ähnliches liefern greifbare Indikatoren für die Ernsthaftigkeit, mit der ein Anbieter das Konfliktmanagement betreibt.
Konfliktmanagement als Garant für reibungslose Abläufe
Die Einbindung von Konfliktprävention und Deeskalation in Sicherheitsausschreibungen ist letztlich ein Schutzmechanismus für alle Beteiligten. Wird ein aufgebrachter Kunde oder Besucher fachgerecht beruhigt, bewahrt das nicht nur dessen Würde, sondern verhindert auch, dass die Situation in körperliche Konfrontation umschlägt – die Sicherheit von Mitarbeitern, Gästen und Sicherheitskräften bleibt gewahrt. Ebenso bleibt das Image des Unternehmens geschützt, weil Vorfälle professionell gemeistert statt skandalös eskaliert werden. Ein fairer und effektiver Umgang mit Konflikten stärkt das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Belegschaft in die Sicherheitsorganisation und vermeidet juristische Fallstricke. Insgesamt tragen gut geschulte Deeskalationsmaßnahmen dazu bei, rechtliche Risiken zu minimieren und die Reputation des Auftraggebers zu wahren.