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Unternehmenssicherheit: Unternehmensbezogene Risiken

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Arten unternehmensbezogener Risiken

Arten unternehmensbezogener Risiken

Die Unternehmenssicherheit ist eine vielschichtige Herausforderung, die Menschen, Prozesse, Infrastruktur, Technologie und externe Schnittstellen umfasst. Sicherheit ist kein eindimensionales Thema – es geht sowohl um den Schutz der Mitarbeiter als auch um die Absicherung physischer Einrichtungen, die Sicherung digitaler Systeme und die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften. In der heutigen volatilen Risikolandschaft sind unterschiedliche Bedrohungen hochgradig miteinander verknüpft, weshalb Unternehmen einen ganzheitlichen Risikomanagement-Ansatz verfolgen müssen. Das Verständnis der verschiedenen Risikotypen, denen eine Organisation ausgesetzt ist, bildet die Grundlage für wirksame Präventions-, Detektions- und Reaktionsstrategien. Eine strukturierte Risikotaxonomie kann Sicherheitsverantwortlichen helfen, Schwachstellen zu erkennen, Prioritäten für Gegenmaßnahmen zu setzen und sicherzustellen, dass keine wesentlichen Bedrohungsvektoren übersehen werden.

Angesichts der komplexen Bedrohungslandschaft, der sich Industriezentralen gegenübersehen, ist das Kategorisieren von Risiken in klare Typen weit mehr als eine theoretische Übung – es bildet die Grundlage einer belastbaren Sicherheitsstrategie. Indem ein Unternehmen die verschiedenen Risikokategorien (physisch, intern, cyber, betrieblich, Compliance, Reputation, Drittparteien, Spionage usw.) versteht und abbildet, können Sicherheitsverantwortliche sicherstellen, dass für jede Kategorie passende Kontrollen, Reaktionspläne und Überwachungsmechanismen existieren. Dieser risikobasierte Ansatz ermöglicht gezielte Gegenmaßnahmen: Wer beispielsweise “Insider Threat” als Kategorie definiert hat, richtet ein Insider-Überwachungsprogramm und Mitarbeiterüberprüfungen ein; wer “physische Sicherheit” als Kategorie hat, investiert in Perimeterschutz und Wachschulungen etc. Außerdem unterstützt er rollenbasierte Schulungen (verschiedene Teams lernen die für sie relevanten Bedrohungen kennen) und fokussierte Audits (z. B. kann eine interne Prüfung Checklisten für jede Risikokategorie nutzen, um Lücken aufzudecken).

Darüber hinaus stimmt eine umfassende Risikotaxonomie mit Compliance-Rahmenwerken wie ISO/IEC 27001 (das eine systematische Risikoanalyse von Informationswerten erfordert) überein und unterstützt diese. Viele Modelle für Unternehmensgovernance und Best Practices (einschließlich des BSI IT-Grundschutz sowie internationaler Standards) fordern, dass Vermögenswerte, Bedrohungen und Schwachstellen identifiziert werden – im Grunde also, dass man eine Bibliothek von möglichen Bedrohungsszenarien aufbaut, gegen die man planen kann. In einer Zeit neuartiger und konvergierender Bedrohungen ist eine strukturierte Vorbereitung nicht nur ratsam – sie ist unerlässlich, um langfristig erfolgreich zu sein und das Vertrauen in die Fähigkeit der Organisation zu stärken, Sicherheit zu gewährleisten.

Physische Sicherheitsrisiken

Physische Sicherheitsrisiken umfassen Bedrohungen für materielle Vermögenswerte und betriebliche Abläufe vor Ort. In deutschen Industriezentralen – die häufig Bürogebäude, F&E-Labore und mitunter angegliederte Fertigungsbereiche umfassen – hat die Kontrolle des Zugangs und die Verhinderung von Vor-Ort-Störungen oberste Priorität.

Wichtige Arten physischer Bedrohungen sind:

  • Unbefugter Zutritt (Einbruch oder “Tailgating”): Eindringlinge könnten versuchen, sich Zutritt zu Betriebsstätten zu verschaffen, indem sie z. B. einem Mitarbeiter durch eine gesicherte Tür hinterherschleichen (“Tailgating”) oder gestohlene/gefälschte Ausweise nutzen. Solche Verstöße gegen die Zugangskontrolle umgehen die äußeren Schutzmaßnahmen und können dazu führen, dass Unbefugte in gesperrte Bereiche gelangen. Ein Beispiel: Ein Angreifer gibt sich als Techniker oder Kollege aus und nutzt einen Moment der Unaufmerksamkeit, um durch das Drehkreuz am Eingang in das Gebäude zu gelangen – und kompromittiert so augenblicklich sensible Zonen.

  • Diebstahl von Ausrüstung, Prototypen oder Dokumenten: Wenn die Sicherheit vor Ort unzureichend ist, können wertvolle materielle Güter entwendet werden. Darunter fallen z. B. Prototyp-Produkte oder vertrauliche Unterlagen aus F&E-Abteilungen sowie mobile Geräte (Laptops, USB-Sticks) mit sensiblen Daten. Der Verlust von firmeneigenen Prototypen oder geistigem Eigentum (Intellectual Property) auf diese Weise kann die Wettbewerbsposition des Unternehmens erheblich schwächen und finanziellen Schaden verursachen.

  • Vandalismus und Sabotage an Sicherheitseinrichtungen: Angreifer könnten Sicherheitsinfrastruktur gezielt beschädigen – etwa die Stromversorgung von Überwachungskameras unterbrechen, Kartenleser blockieren oder Alarmsysteme manipulieren. Das Ausschalten von Kameras oder Sensoren schafft tote Winkel bzw. Zeiten ohne Sicherheitsüberwachung und vergrößert das Zeitfenster für weitere Straftaten. In einigen Fällen haben frustrierte Täter Zugangskontrollsysteme sabotiert, um spätere Einbrüche zu erleichtern oder einfach den Betrieb zu stören.

  • Arbeitsplatzgewalt oder aggressive Besucher: Auseinandersetzungen an Eingängen oder im Empfangsbereich stellen direkte Risiken für Personen dar. Beispiele umfassen einen aufgebrachten Ex-Mitarbeiter oder einen einschüchternden betriebsfremden Aktivisten, der in der Lobby einen Zwischenfall provoziert oder sogar tätlich wird. Angesichts zunehmender Sorgen um Workplace Violence (Gewalt am Arbeitsplatz) müssen sich Zentraleinrichtungen auf Szenarien vom lautstarken Streit bis hin zu aktiver körperlicher Bedrohung einstellen. Sicherheits- und Empfangspersonal benötigen klare Protokolle, um aggressives Verhalten zu deeskalieren, sowie belastbare Notfallpläne (z. B. Lockdown oder Evakuierung), um Mitarbeiter und Besucher zu schützen.

Beispiel-Risikomatrix – Physische Sicherheitsbedrohungen:

Bedrohungstyp

Zielbereich

Potenzielle Auswirkung

Ausweismissbrauch / Tailgating

Zugangsdrehkreuze am Eingang

Unbefugter Zugang zu gesperrten Bereichen (Eindringen einer unautorisierten Person)

Diebstahl eines Prototyps

F&E-Labor oder Konstruktionsbüro

Verlust von geistigem Eigentum (Preisgabe von Firmengeheimnissen)

Körperlicher Angriff

Empfangsfoyer

Gefährdung der Mitarbeitersicherheit; mögliche Verletzungen und Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls

Diese Matrix veranschaulicht, wie unterschiedliche physische Bedrohungen verschiedene Bereiche einer Zentrale ins Visier nehmen und welche Auswirkungen sie haben können. In allen Fällen sind robuste Zugangskontrollmaßnahmen, Überwachung und geschultes Sicherheitspersonal von entscheidender Bedeutung. Gegenmaßnahmen umfassen strikte Ausweisrichtlinien (kein Weitergeben von Ausweisen, sofortige Deaktivierung nach Ausscheiden einer Person), Besuchervoranmeldung und Begleitung, gesicherte Perimeter (Zäune, Tore, Schlösser, Beleuchtung) sowie Übungen für den Ernstfall bei Gewaltvorfällen oder Eindringlingen. Ein Branchenbericht empfiehlt beispielsweise, den Perimeterschutz durch Tore, Barrieren, Beleuchtung und Beschilderung zu verstärken, um Einbrüche abzuschrecken. Regelmäßige Audits der physischen Sicherheit können dabei helfen, Schwachstellen zu identifizieren – etwa eine Tür, die nicht richtig schließt, oder einen Kamerabereich ohne Abdeckung, noch bevor ein Täter diese Lücke ausnutzen könnte.

Innere Bedrohungen (Insider Threats)

Als Insider-Threats bezeichnet man Risiken, die von innerhalb der Organisation ausgehen – also durch Mitarbeiter, Auftragnehmer oder andere Insider mit berechtigtem Zugang. Deutschen Unternehmen ist bewusst, dass Insider erheblichen Schaden anrichten können, sei es vorsätzlich oder unabsichtlich.

Zu den wichtigsten inneren Bedrohungen gehören:

  • Böswillige Insider (Spionage oder Sabotage): Verärgerte Mitarbeiter oder von außen rekrutierte Insider können absichtlich Daten stehlen, Geheimnisse weitergeben oder Systeme sabotieren. Ein Beispiel: Ein unzufriedener Angestellter schmuggelt vertrauliche Projektdateien zu einem Wettbewerber oder manipuliert Anlagen. In den letzten Jahren sind ideologisch motivierte Insider zu einer komplexen Herausforderung geworden – Mitarbeiter, die aus persönlichen Überzeugungen, politischen Motiven oder aktivistischen Gründen gegen ihre eigene Organisation handeln. Solche Insider könnten gezielt Betriebsabläufe oder Lieferketten stören, um ihre Agenda voranzutreiben, wie es in Fällen vorkam, in denen Angestellte sensible Informationen an Umwelt- oder politische Gruppen weitergaben. Auch staatlich gesteuerte Wirtschaftsspionage fällt in diese Kategorie: Geheimdienste versuchen, in deutschen Firmen Insider anzuwerben, um an industrielle Geheimnisse zu gelangen.

  • Missbrauch von Berechtigungen: Vertrauenspersonen mit erweiterten Rechten (z. B. IT-Administratoren, Entwicklungsingenieure oder Führungskräfte) könnten ihre Zugangsprivilegien missbrauchen. Dies umfasst z. B. den Zugriff auf Daten, die nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören, das Ändern oder Löschen von wichtigen Informationen oder das Installieren von Hintertüren in IT-Systemen. Solcher Berechtigungsmissbrauch kann finanziell motiviert sein (etwa wenn ein Mitarbeiter Kundendaten stiehlt, um sie zu verkaufen) oder aus Rache geschehen. Strenge User-Access-Kontrollen und das Prinzip der minimalen Rechte (Least Privilege) sind notwendig, um dieses Risiko zu mindern – das bedeutet, jedem Nutzer nur die Zugriffsrechte zu geben, die er für seine Aufgabe unbedingt benötigt, und die Nutzung von Administratorkonten engmaschig zu überwachen.

  • Nachlässige oder unbeabsichtigte Insider-Risiken: Nicht alle Gefahren durch Insider entstehen aus Böswilligkeit – manche sind auf menschliche Fehler oder Unachtsamkeit zurückzuführen. Mitarbeiter können dem Unternehmen unbeabsichtigt schaden, indem sie z. B. Passwörter weitergeben, ungesicherte Computerterminals offen lassen, auf Phishing-E-Mails hereinfallen oder sensible Dokumente falsch handhaben. Ein wohlmeinender Angestellter könnte etwa aus Bequemlichkeit eine gesicherte Tür offen blockieren und damit unbewusst einem Eindringling Zutritt ermöglichen. Ebenso könnte ein Ingenieur vertrauliche Dateien auf einen unverschlüsselten USB-Stick kopieren, um zuhause zu arbeiten – und dadurch das Risiko eines Datenlecks schaffen. Regelmäßige Sicherheitsschulungen der Mitarbeiter sind unerlässlich, um dieses Verhalten zu adressieren. Dabei sollten unternehmensweite Richtlinien – z. B. zum Umgang mit Passwörtern, zur Clean-Desk-Policy (aufgeräumter Schreibtisch ohne liegende Dokumente) und zur Meldung verdächtiger E-Mails – ständig eingeübt und ins Bewusstsein gerückt werden.

  • Lücken bei Ein- und Austritt von Personal: Auch die Prozesse beim Onboarding (Einstellen) und Offboarding (Verlassen) von Mitarbeitern oder Auftragnehmern bergen Risiken. Externe Auftragnehmer, Zeitarbeitskräfte oder Dienstleister benötigen oft Zugang zu Räumlichkeiten oder IT-Systemen. Wenn ihre Einstellung hastig oder ohne gründliche Überprüfung erfolgt, könnte eine riskante Person Zugang erhalten, die sie nicht haben sollte. Ebenso kann das Versäumnis, beim Ausscheiden einer Person sofort alle Zugänge zu entziehen, zu schwebenden Sicherheitslücken führen – z. B. weiterhin aktive Konten oder Ausweise. Man stelle sich vor, ein externer Berater behält nach Projektende seinen Zugangsausweis und niemand deaktiviert diesen; dieser könnte später missbraucht werden. Unternehmen sollten strikte Verfahren etablieren, um sicherzustellen, dass Ausweise, Laptops und IT-Zugänge umgehend deaktiviert bzw. zurückgegeben werden, sobald jemand aus dem Unternehmen ausscheidet oder ein Auftrag endet.

Insider-Bedrohungen betreffen sowohl die digitale als auch die physische Sicherheit und sind vielfältig: sie reichen von Wirtschaftsspionage und finanziellem Betrug über IT-Sabotage bis hin zu tätlichen Angriffen am Arbeitsplatz. Laut einer PwC-Analyse aus dem Jahr 2025 sind viele Insiderangriffe zwar böswillig motiviert (etwa durch frustrierte Mitarbeiter oder ausländische Gegner), doch ein Teil passiert auch fahrlässig oder versehentlich – etwa wenn jemand irrtümlich eine vertrauliche E-Mail an den falschen Empfänger schickt. Dies zeigt, wie wichtig ein umfassendes Insider-Programm ist. Effektive Programme integrieren üblicherweise Abteilungen wie Personal, IT, Werkschutz/Sicherheit und Compliance, um Frühwarnsignale zu erkennen (ungewöhnliche Downloads, wiederholte Regelverstöße, Unzufriedenheit am Arbeitsplatz) und koordiniert darauf zu reagieren. Die Überwachung des Benutzerverhaltens auf Auffälligkeiten – zum Beispiel ein Mitarbeiter, der sich außerhalb seiner Arbeitszeiten um 3 Uhr nachts einloggt – kann helfen, böswillige Insider frühzeitig zu enttarnen. Gleichzeitig sollte durch eine transparente Unternehmenskultur und klare Meldewege erreicht werden, dass Mitarbeiter verdächtiges Verhalten von Kollegen melden, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen. So kann das Eskalieren innerer Bedrohungen oft verhindert werden.

Cyber-Sicherheitsrisiken

Digitale Bedrohungen zählen zu den größten Risiken für moderne Unternehmen, und Industriefirmen in Deutschland bilden da keine Ausnahme. Cyber-Zwischenfälle werden im Allianz Risk Barometer 2025 sogar als Geschäftsrisiko Nr. 1 eingestuft – noch vor Lieferkettenunterbrechungen oder Naturkatastrophen. Industriezentralen müssen sich gegen Cyber-Angriffe wappnen, die sensible Daten kompromittieren, Betriebsabläufe stören oder weitere Folgeschäden ermöglichen könnten.

Zu den wichtigsten Cyberrisiken gehören:

  • Phishing und Social-Engineering-Angriffe: Mitarbeiter werden häufig Ziel von Phishing-E-Mails, “CEO-Fraud” und ähnlichen manipulativen Tricks. Bei einem Business Email Compromise (BEC, Geschäfts-E-Mail-Betrug) etwa geben sich Angreifer als Top-Manager oder vertrauenswürdige Partner aus, um Angestellte zu täuschen – z. B. sie zu einer Überweisung zu bewegen oder geheime Informationen preiszugeben. Ein klassisches Szenario, das auch in Deutschland bekannt ist, ist der “Chef-Trick” (Fake President Fraud), bei dem die Buchhaltung eine täuschend echt wirkende, dringende E-Mail vom “Geschäftsführer” erhält mit der Aufforderung, sofort einen hohen Betrag auf ein Konto zu überweisen. Solche Betrügereien haben weltweit bereits Schäden in Millionenhöhe verursacht. Eine kontinuierliche Sensibilisierung und Schulung der Belegschaft – inkl. regelmäßiger Phishing-Testkampagnen – ist entscheidend, um die Wachsamkeit gegenüber solchen Angriffen zu erhöhen.

  • Malware und Ransomware: Schadsoftware kann über infizierte E-Mail-Anhänge, manipulierte Links oder verseuchte USB-Sticks ins Firmennetz gelangen. Besonders gefährlich ist Ransomware, die im Fall einer Infektion kritische Daten verschlüsselt oder ganze IT-Systeme lahmlegt. Wenn Ransomware in das Netz einer Konzernzentrale eingeschleust wird, kann dies neben Bürodaten möglicherweise auch angebundene Produktionssysteme treffen und die Betriebsabläufe zum Stillstand bringen. Deutsche Unternehmen waren bereits mit Ransomware-Angriffen konfrontiert, die nicht nur die Büro-IT, sondern auch Fertigungslinien und Logistik beeinträchtigten. Die Auswirkungen sind zweigleisig: unmittelbare Betriebsunterbrechung und potenzieller Verlust von geistigem Eigentum, falls Angreifer sensible Dateien vor der Verschlüsselung exfiltrieren. Regelmäßige Backups, Netzwerksegmentierung und aktuelle Antiviren-/EDR-Lösungen (Endpoint Detection & Response) sind wichtige Abwehrmaßnahmen gegen Malware. Bemerkenswert ist, dass Geschäftsunterbrechungen infolge von Cyberangriffen in Umfragen konstant als eines der Top-Risiken genannt werden – was unterstreicht, wie verheerend solche Vorfälle operativ sein können.

  • Schwache Zugangsdaten und Cloud-Fehlkonfigurationen: Nachlässige Passwortpraktiken (z. B. Standardpasswörter, mehrfach verwendete Passwörter) und falsch konfigurierte Cloud-Dienste sind gängige Einfallstore für Angreifer. Wenn ein Administrator z. B. einen Cloud-Speicher oder eine Datenbank ohne die richtige Zugriffsbeschränkung einrichtet, könnten Unbefugte diese Daten finden und abrufen. Ebenso nutzen Angreifer oft schwache Passwörter oder gestohlene Zugangsdaten, um in Firmen-E-Mailkonten oder VPN-Zugänge einzudringen. Dies ist besonders relevant, da Unternehmen zunehmend Cloud-Dienste für Zusammenarbeit und Datenablage nutzen – ein Konfigurationsfehler kann versehentlich große Datenmengen im Internet zugänglich machen. Die Durchsetzung starker Passwort-Richtlinien, die Einführung von Multi-Faktor-Authentifizierung und regelmäßige Prüfungen der Cloud-Konfiguration (z. B. anhand von CIS-Benchmarks oder anderen Best Practices) sind hier essenzielle Gegenmaßnahmen.

  • Risiken durch Fernzugriff und mobiles Arbeiten: Da viele Angestellte mittlerweile hybrid oder mobil arbeiten, steht die Absicherung des Fernzugriffs im Fokus. Bedrohungsakteure zielen gezielt auf VPN-Zugänge oder Remote-Desktop-Verbindungen – etwa indem sie ungepatchte Schwachstellen ausnutzen oder gestohlene VPN-Credentials verwenden, um sich im Firmennetz zu etablieren. Hinzu kommt, dass Geräte, die zwischen Heim und Büro pendeln (Laptops, Smartphones), die Angriffsfläche vergrößern. Ein mit Malware infizierter Heim-Laptop eines Mitarbeiters kann beim Anschluss im Unternehmensnetz interne Systeme anstecken. Ebenso kann die Nutzung öffentlicher WLANs oder unsicherer Heimrouter Hintertüren für Angreifer öffnen. Als Reaktion darauf setzen Organisationen verstärkt auf Mobile-Device-Management (MDM), verlangen aktuelle Sicherheits-Patches auf allen Geräten mit Netz-Zugriff und verfolgen das Zero-Trust-Prinzip, bei dem jeder Zugriff kontinuierlich neu verifiziert wird. Beispielsweise werden Verbindungen von außerhalb nur über gesicherte VPNs mit Multi-Faktor-Login erlaubt und ungewöhnliche Zugriffe gegebenenfalls blockiert, bis sie geprüft sind.

  • Konvergenz von Cyber- und physischer Sicherheit: Da Zentralgebäude immer vernetzter und “smarter” werden (Stichwort IoT-Sensoren, Gebäudeleittechnik), verschwimmen die Grenzen zwischen Cyber- und physischer Sicherheit. Ein Cyberangriff kann physische Konsequenzen haben – so könnte etwa das Hacken der Gebäudeleittechnik Alarmsysteme ausschalten oder die Klimatisierung manipulieren (im schlimmsten Fall muss evakuiert werden, falls z. B. giftige Gase durch eine Lüftungssteuerung freigesetzt würden). Umgekehrt kann ein physischer Vorfall digitale Auswirkungen haben – etwa wenn ein Einbrecher ein nicht authorisiertes Gerät ins Netzwerk einspeist. Deutsche Unternehmen beobachten diese Cyber-Physical Risks verstärkt und erkennen, dass IT-Sicherheitsteams und Werkschutz eng kooperieren müssen. Gemeinsame Übungen und abgestimmte Reaktionspläne sollten Szenarien berücksichtigen wie einen Cyberangriff, der parallel mit einem physischen Ablenkungsmanöver stattfindet.

Zusammengefasst muss die Cybersecurity im industriellen Umfeld sowohl die klassische IT (Büro-Netzwerke, E-Mail, Datenbanken) als auch – wo vorhanden – OT (Operational Technology, z. B. Produktionssteuerungen) schützen, die an die Zentrale angebunden ist. Die deutsche Gesetzgebung verstärkt hier den Druck: So verlangt das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 und ab 2024 die NIS2-Richtlinie hohe Sicherheitsstandards und Vorfallsmeldungen für eine Vielzahl von Unternehmen, nicht nur für KRITIS-Betreiber (kritische Infrastrukturen). Die Nicht-Einhaltung kann zu erheblichen Sanktionen führen (mehr dazu im Compliance-Abschnitt), was nochmals verdeutlicht, dass Cybersicherheit nicht allein ein IT-Thema ist, sondern Chefsache.

Betriebsunterbrechungs-Risiken

Einige Sicherheitsrisiken zielen nicht primär darauf ab, Daten zu stehlen oder Personen zu schaden, führen aber zu Unterbrechungen der Geschäftsabläufe oder der Funktionsfähigkeit der Einrichtungen, was finanzielle Einbußen und Produktivitätsverluste verursacht. Die Konzernsicherheit muss Szenarien berücksichtigen, in denen entweder Sicherheitsmaßnahmen selbst fehlfunktionieren und den Betrieb stören oder sicherheitsrelevante Zwischenfälle indirekt Stillstand verursachen.

Beispiele für solche Risiken sind:

  • Ausfall von Zutrittskontrollsystemen: Ein technischer Defekt im Ausweissystem oder in biometrischen Zugangssperren kann dazu führen, dass eines Morgens Hunderte Mitarbeiter nicht ins Gebäude gelangen – womit die Arbeit effektiv zum Erliegen kommt. Unabhängig davon, ob der Auslöser ein technischer Fehler oder ein Cyber-Zwischenfall ist, unterbricht ein solcher Ausfall den normalen Geschäftsbetrieb. Ähnlich kann ein Fehlalarm in einem automatisierten Sicherheitssystem (z. B. ein fälschlich ausgelöster Feueralarm oder Amok-Alarm) eine unnötige Evakuierung oder Abriegelung (Lockdown) auslösen, was kostbare Arbeitszeit kostet und die Mitarbeiter verunsichert. Regelmäßige Wartung und Redundanz für kritische Sicherheitssysteme können dieses Risiko verringern. Zentraleinrichtungen sollten Fail-Safe-Designs haben – also z. B. Backup-Authentifizierungsmethoden, falls das Hauptsystem ausfällt – damit nicht eine einzelne Störung sämtliche Tore verschlossen hält.

  • Ausfall interner Kommunikationssysteme: Sicherheitsvorfälle wie Cyberangriffe können die internen Kommunikationsnetze (Telefon, E-Mail, Chat-Plattformen) lahmlegen. Wenn etwa Ransomware den E-Mail-Server der Zentrale verschlüsselt, können Mitarbeiter und Teams unter Umständen tagelang nicht normal kommunizieren, was Koordination und Entscheidungsfindung beeinträchtigt. Selbst bewusste Sicherheitsmaßnahmen, wie das Abschalten von Teilen des Netzwerks zur Eindämmung eines akuten Cyberangriffs, haben diesen Nebeneffekt. Unternehmen brauchen daher Notfallpläne, die alternative Kommunikationskanäle vorsehen (etwa private Mobiltelefone, externe E-Mail-Provider, Messenger-Dienste), um die Geschäftskontinuität während IT-Ausfällen aufrechtzuerhalten.

  • Störungen in der Lieferkette und bei Dienstleistern: Die Betriebsfähigkeit einer Zentrale hängt auch von der Sicherheit wichtiger Zulieferer und Dienstleister ab. Wenn ein Drittlieferant oder Servicepartner einen größeren Sicherheitsbruch erleidet oder ausfällt, kann dies die Versorgung der Zentrale mit essentiellen Gütern oder Dienstleistungen unterbrechen. Beispielsweise könnte eine Sicherheitslücke bei einem externen Logistikunternehmen dazu führen, dass Lieferungen wichtiger Materialien ausbleiben, was Entwicklungs- oder Produktionsprojekte verzögert. Ein anderes Beispiel ist ein externer Gebäudedienstleister: Sollte dessen Sicherheitspersonal streiken oder ein Sicherheitsvorfall bei ihm auftreten, könnten Kantinenservices, Reinigungsdienste oder technische Wartung im HQ ausfallen und den Betriebsalltag stören. In Deutschland, wo viele Industrien eng verzahnte Lieferketten haben, kann schon ein schwaches Glied den Betrieb beeinträchtigen. Die Konzernsicherheit sollte daher auch die Risiken in der Lieferkette im Blick haben, alternative Bezugsquellen für kritische Leistungen bereithalten und von Partnern verlangen, robuste eigene Sicherheitskonzepte zu unterhalten.

  • Vor-Ort-Notfälle und Abriegelungen: Sicherheitsereignisse wie das Auffinden eines verdächtigen Gegenstands, eine Bombendrohung per Telefon oder Proteste vor dem Werkstor können zu einer vorübergehenden Schließung oder Räumung der Zentrale führen. Beispielsweise kommt es bei großen Industriefirmen durchaus vor, dass Protestgruppen (etwa Umweltaktivisten) sich am Haupteingang versammeln; aus Sicherheitsgründen könnten dann die Tore zeitweise geschlossen oder Mitarbeiter angewiesen werden, im Gebäude zu bleiben. So notwendig solche Maßnahmen zum Schutz auch sind, sie unterbrechen den normalen Geschäftsbetrieb – Besprechungen fallen aus, Lieferungen werden aufgehalten, und die Belegschaft gerät unter Stress. Hier ist Vorbereitung das A und O: Durch klare Notfallprozeduren, regelmäßige Übungen und enge Abstimmung mit den lokalen Behörden lässt sich sicherstellen, dass solche Unterbrechungen so geordnet und kurz wie möglich ablaufen. Je schneller und planvoll die Reaktion, desto eher kann der Betrieb wieder aufgenommen werden.

Aus Risikomanagement-Sicht ist die Betriebsunterbrechung durch Sicherheitsvorfälle ein ernsthaftes Thema. Erhebungen wie der Allianz Risk Barometer führen Betriebsunterbrechungen seit Jahren unter den Top-Risiken, die Unternehmen fürchten, da Stillstand direkt das Geschäftsergebnis belastet und das Vertrauen der Kunden erschüttert. Konzernsicherheitsleiter sollten daher eng mit den Business-Continuity- und Notfallmanagern zusammenarbeiten. Jede der in diesem Artikel genannten großen Risikokategorien (physisch, Cyber, intern etc.) sollte auf mögliche Geschäftsstörungs-Szenarien hin analysiert werden, und es sollten Notfallpläne entwickelt werden (Ersatzstandorte, manuelle Workarounds, Schichtpläne etc.), um im Ernstfall wichtige Abläufe aufrecht zu erhalten. So ist das Unternehmen darauf vorbereitet, auch während sicherheitsrelevanter Turbulenzen die wichtigsten Operationen fortführen zu können.

Compliance- und regulatorische Risiken

In Deutschlands stark reguliertem Umfeld kann die Nichteinhaltung sicherheitsrelevanter Vorschriften zu erheblichen Strafen und Reputationsschäden führen. Konzernsicherheit bedeutet nicht nur, “die Bösen” abzuwehren – es geht auch darum, Gesetze, Branchenstandards und interne Richtlinien einzuhalten, die der Sicherheit und dem Datenschutz dienen.

Zentrale Compliance-/Regelungs-Risikofelder sind:

  • Datenschutzgesetze (DSGVO/BDSG): Unternehmen müssen persönliche Daten von Kunden, Mitarbeitern und Partnern schützen. Gemäß der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO, General Data Protection Regulation) und dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gelten strenge Vorgaben dafür, wie personenbezogene Daten gespeichert, verwendet und weitergegeben werden. Ein Sicherheitsvorfall, der zu einer Offenlegung solcher Daten führt – etwa eine gehackte, unverschlüsselte Datenbank mit Mitarbeiterinformationen – stellt einen Compliance-Verstoß dar. Aufsichtsbehörden können für solche Verstöße empfindliche Geldbußen verhängen: bis zu 20 Millionen Euro oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens bei gravierenden DSGVO-Verletzungen. In Deutschland gab es bereits Bußgelder in zweistelliger Millionenhöhe für Firmen, die persönliche Informationen unzureichend schützten. Folglich ist es ein kritischer Risikobereich, für angemessene Verschlüsselung, Zugriffskontrollen und Meldeprozesse bei Datenschutzverletzungen zu sorgen. Dazu gehört z. B. sicherzustellen, dass vertrauliche personenbezogene Daten nur berechtigten Personen zugänglich sind, Datenträger geschützt werden und im Falle eines Leaks umgehend die Behörden und Betroffenen informiert werden (um den gesetzlichen Pflichten nachzukommen).

  • IT-Sicherheitsgesetz 2.0 und NIS2-Richtlinie: Das deutsche IT-Sicherheitsgesetz 2.0 sowie die neue EU-Richtlinie NIS2 (Netzwerk- und Informationssicherheit) legen umfangreiche Anforderungen an die Cybersicherheit für eine breite Palette von Organisationen fest – insbesondere für Betreiber kritischer Infrastrukturen und Unternehmen mit besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Industriezentralen in Sektoren wie Energie, Automobil, Chemie oder Gesundheitswesen könnten unter diese Regelungen fallen. Zu den Pflichten gehören u. a. die Umsetzung des “Standes der Technik” bei Sicherheitstechnologien, der Einsatz von Systemen zur Angriffserkennung (IDS), regelmäßige Sicherheits-Audits sowie die unverzügliche Meldung erheblicher IT-Sicherheitsvorfälle an die Behörden (in Deutschland das BSI – Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik). Nichteinhaltung hat strikte Konsequenzen: Nach BSIG/BSI-Kritisverordnung drohen Unternehmen, die Anforderungen nicht erfüllen, Bußgelder von bis zu 20 Millionen € durch das BSI. Die kommende NIS2-Richtlinie erhöht den Druck weiter – Verstöße können mit bis zu 10 Millionen € oder 2% des weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden, und im Ernstfall kann sogar die Geschäftsführung persönlich haftbar gemacht werden. Für Konzernsicherheitsverantwortliche heißt das, Compliance in diesem Bereich zur Chefsache zu machen: Das Unternehmen muss in der Lage sein, IT-Sicherheitsaudits zu bestehen und sollte frühzeitig Maßnahmen implementieren, um künftigen, noch strengeren Gesetzen gerecht zu werden (Stichwort mögliches “IT-Sicherheitsgesetz 3.0” zur Umsetzung von NIS2 in deutsches Recht).

  • Interne Sicherheitsrichtlinien und Audits: Neben externen Gesetzen gibt es interne Kontrollen und Zertifizierungen, die eingehalten werden müssen. Viele deutsche Industrieunternehmen streben etwa Zertifizierungen wie ISO/IEC 27001 (Managementsystem für Informationssicherheit) oder TISAX (Trusted Information Security Assessment Exchange, speziell in der Automobilindustrie) an, um Kunden und Partnern die eigene Sicherheit zu belegen. Diese Rahmenwerke verlangen, dass Unternehmen ihre Risiken systematisch erfassen, entsprechende Kontrollen implementieren und alles lückenlos dokumentieren. Ein Versäumnis wie unvollständige Besuchsregister, fehlende CCTV-Aufzeichnungen oder nicht nachgewiesene Sicherheitsunterweisungen kann in Audits als Nichtkonformität beanstandet werden oder zum Verlust eines Zertifikats führen. Das wiederum kann geschäftliche Folgen haben, da Geschäftspartner oft verlangen, dass bestimmte Zertifizierungen vorhanden sind. Ebenso gilt: Stellt ein Internes Audit fest, dass an einem Standort konzerninterne Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden (z. B. festgestellte offene Türen, unterlassene Zugriffskontroll-Reviews im IT-Bereich), signalisiert das ein betriebliches Risiko. Das Management kann dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass interne Vorgaben nicht durchgesetzt wurden. Entsprechend bedeutet Compliance hier auch, die eigenen Sicherheitsrichtlinien konsequent umzusetzen und auf Lücken zu prüfen. Dazu gehört, akribisch Buch zu führen – über Besucheranmeldungen, Ausweisausgaben und -rückgaben, durchgeführte Notfallübungen, aktualisierte Rechtevergabe etc. –, da fehlende Dokumentation schon als Verstoß gelten kann.

  • Übermäßige Zugriffsrechte und Policy-Verstöße: Ein weniger offensichtliches Compliance-Risiko ist die großzügige Vergabe von Rechten oder die Duldung von Ausnahmepraktiken, die die Sicherheit unterlaufen. Gewähren Mitarbeiter etwa aus Bequemlichkeit vielen Kollegen Zugriff auf vertrauliche Entwicklungsdokumente, obwohl diese den Zugriff eigentlich nicht benötigen, verstößt das gegen das Need-to-know-Prinzip und kann – im Falle eines Datenabflusses – als Fahrlässigkeit bei der Geheimnissicherung gewertet werden (in Deutschland u. a. relevant im Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, GeschGehG). Ebenso problematisch ist es, wenn man eigenen Sicherheitsrichtlinien nicht strikt folgt – beispielsweise wenn Wachpersonal “VIPs” ohne Kontrolle einlässt oder wenn Laptops ausnahmsweise unverschlüsselt bleiben dürfen, weil Nutzer sich beschweren. Solche schleichenden Ausnahmen können sich aufsummieren und ein erhebliches Risiko darstellen. Falls ein Sicherheitsvorfall eintritt, wird im Nachgang geprüft, ob angemessene Richtlinien bestanden und auch befolgt wurden. Das bewusste Ignorieren eigener Vorgaben kann rechtliche Haftung begründen und regulatorische Strafen verschärfen. Daher gehört zur Compliance auch, interne Sicherheitsregeln streng durchzusetzen und etwaige Verstöße sofort abzustellen.

Zusammengefasst bedeutet die heutige Regulierungslandschaft, dass Konzernsicherheitschefs die Entwicklung der einschlägigen Gesetze genau verfolgen und sicherstellen müssen, dass ihr Sicherheitsprogramm alle Anforderungen erfüllt. Die Kosten der Non-Compliance sind nicht nur Bußgelder und juristische Schritte, sondern können auch behördliche Auflagen, zusätzlichen Prüfaufwand und Vertrauensverlust bei Kunden und Aufsichtsorganen nach sich ziehen. Auf der Habenseite kann proaktive Compliance aber auch zum Wettbewerbsvorteil werden – ein Unternehmen, das z. B. freiwillig hohe Sicherheitsstandards implementiert und dies zertifizieren lässt, signalisiert Kunden und Partnern Zuverlässigkeit. Letztlich sind Regulierungsvorgaben wie ISO 27001 oder NIS2 ein Mindestmaß; die eigenen Sicherheitsmaßnahmen daran auszurichten, hilft sowohl bei der Gefahrenabwehr als auch dabei, gegenüber Externen und Internen Rechenschaft ablegen zu können, dass die Sicherheit umfassend gemanagt wird.

Reputationsrisiken

Sicherheitsvorfälle – ob Datenleak, Einbruch oder Compliance-Verstoß – können den Ruf eines Unternehmens erheblich beeinträchtigen. Im Zeitalter von sozialen Medien verbreiten sich Nachrichten über Sicherheitslücken rasant und beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung sowie das Vertrauen von Kunden, Partnern und Mitarbeitern. Die Konzernsicherheit muss Reputation als schützenswertes Gut betrachten und verstehen, wie verschiedene Bedrohungen das Ansehen intern und extern beeinflussen könnten.

Zentrale Faktoren des Reputationsrisikos sind:

  • Öffentlich bekannte Vorfälle und Datenlecks: Besonders folgenreich sind Ereignisse, bei denen Kunden- oder Mitarbeiterdaten kompromittiert werden. Verbraucher verlieren ihr Vertrauen, wenn ihre persönlichen Informationen in falsche Hände geraten. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Kunden einem Unternehmen nach einem Datenleck nur schwer wieder vertrauen würde. Einer Studie zufolge verloren 65% der Opfer eines Datenverstoßes das Vertrauen in die betroffene Organisation. In Deutschland würde beispielsweise ein Hackerangriff auf eine Bankzentrale, bei dem Kontodaten entwendet werden, vermutlich dazu führen, dass Kunden Konten kündigen oder Gelder abziehen, aus Angst vor Identitätsdiebstahl. Die Marke des Unternehmens könnte über Jahre beschädigt sein, was nicht nur das Bestandsgeschäft belastet, sondern auch die Neukundengewinnung erschwert. Die Wiederherstellung von Vertrauen erfordert transparente Kommunikation, rasche Wiedergutmachungsmaßnahmen und meist erhebliche Investitionen in verbesserte Sicherheit – alles unter kritischer Beobachtung der Öffentlichkeit.

  • Negative Medienberichterstattung über Sicherheitsmängel: Die Medien greifen Sicherheitsvorfälle in Unternehmen häufig auf, nicht selten mit zugespitzten Schlagzeilen. Ein vergleichsweise begrenzter Vorfall – etwa dass es Aktivisten gelingt, in eine Firmenlobby einzudringen und ein Protestbanner zu entrollen – kann in der Presse große Wellen schlagen in Richtung “schlampige Sicherheit”, wenn dazu Videos kursieren. Ebenso führen Nachrichten über einen Spionagefall in einem Werk oder einen Gewaltakt in der Zentrale zu unbequemen Fragen bezüglich der Aufsichtspflicht des Managements. Auch lange nach dem unmittelbaren Vorfall kann die Story im Internet nachwirken und das Firmenimage trüben. Negative Schlagzeilen und Social-Media-Aufmerksamkeit untergraben das Vertrauen von Kunden und Investoren. Für die Sicherheitsleitung bedeutet dies, dass ein schlagkräftiger Krisenkommunikationsplan ebenso wichtig ist wie die technische Incident Response. Die Organisation sollte in der Lage sein, bei einem Sicherheitszwischenfall schnell und offen zu informieren, der Öffentlichkeit (und den Mitarbeitern) zu versichern, dass man die Lage im Griff hat, und später aufzuzeigen, welche Verbesserungen umgesetzt wurden, um eine Wiederholung zu verhindern. Unternehmen, die zögerlich oder intransparent reagieren, werden oft härter beurteilt und leiden länger unter Reputationsfolgen.

  • Kunden- und Investorenreaktionen: Größere Sicherheitsvorfälle können nicht nur Kundenreaktionen, sondern auch Partner-, Investoren- und behördliche Reaktionen auslösen. Nach einem Datenverlust wenden sich Kunden möglicherweise ab und suchen Alternativen – in einer globalen Marktwirtschaft mit vielen Anbietern werden sie versuchen, einen sichereren Dienstleister zu finden. Vertriebsteams sehen sich nach einem publik gewordenen Vorfall in Verhandlungen mit skeptischeren Fragen konfrontiert, und Vertragsabschlüsse könnten ins Stocken geraten. Investoren wiederum betrachten eine Häufung von Sicherheitsproblemen als Zeichen mangelhafter Unternehmensführung. Wenn z. B. ein Industriebetrieb mehrfach durch IP-Diebstähle Schlagzeilen macht, könnten Anleger befürchten, dass das Kerngeschäft nicht ausreichend geschützt ist, was den Aktienkurs belasten kann. Reputationsschäden äußern sich auch in verpassten Chancen – Partnerschaften, die gar nicht erst zustande kommen, weil das andere Unternehmen stillschweigend entschieden hat, dass das Sicherheitsimage zu riskant ist. Ein Bericht der ProcessUnity fasste zusammen, dass Reputationsschäden zum Verlust von Vertrauen, Kunden, Investoren und Partnern führen können – und zu negativer medialer Aufmerksamkeit. Kurz gesagt, Reputationsrisiken schlagen sich häufig direkt in finanziellen Risiken nieder.

  • Interne Moral und Talentgewinnung: Nicht zu vergessen: Sicherheitsvorfälle können auch die interne Reputation – sprich die Mitarbeitermoral und die Arbeitgeberattraktivität – beeinträchtigen. Wenn Mitarbeiter den Eindruck gewinnen, dass das Unternehmen sie nicht ausreichend schützt (etwa nach einem Gewaltvorfall am Arbeitsplatz oder wenn ständig Laptops aus dem Büro gestohlen werden), sinkt ihr Vertrauen in das Management. Im schlimmsten Fall schauen sie sich nach einem sichereren Arbeitsplatz um. Ebenso könnten Top-Talente zögern, zu einer Firma zu wechseln, die wegen gravierender Sicherheitspannen in den Schlagzeilen war, da sie dies als Hinweis auf organisatorische Probleme werten. Deshalb hilft ein solider Sicherheitsruf, eine positive Unternehmenskultur und Arbeitgebermarke aufrechtzuerhalten, während ein schlechter Ruf zu Unzufriedenheit und Personalabwanderung führen kann.

Um Reputationsrisiken zu managen, sollten Konzernsicherheits-Teams eng mit Unternehmenskommunikation und Rechtsabteilung zusammenarbeiten. Das beinhaltet proaktive Maßnahmen wie das Hervorheben der Sicherheitsbemühungen des Unternehmens in Nachhaltigkeits- oder Geschäftsberichten, sowie reaktive Maßnahmen wie einen gut eingeübten Krisenkommunikationsprozess. Wenn ein Vorfall eintritt, sind zügige und ehrliche Informationen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in der Regel die beste Vorgehensweise – der Versuch, Vorfälle zu vertuschen, geht meist nach hinten los, falls sie später doch öffentlich werden. Ein bekanntes Negativbeispiel ist die Uber-Datenpanne 2016, die das Unternehmen zunächst geheim hielt und Hacker sogar dafür bezahlte, die Daten zu löschen – als dies 2017 herauskam, war der Aufschrei groß und das Vertrauen nachhaltig erschüttert. In Deutschland kann ein offensiver und verantwortungsbewusster Umgang mit einem Zwischenfall auch behördliche Sanktionen mildern. Letztlich gilt: Ein starker Ruf in Sicherheitsfragen kann zum Geschäftsenabler werden (etwa wenn Kunden wissen, dass ihre Daten sicher sind), während ein schlechter Ruf schnell zum Geschäftshindernis werden kann.

Risiken durch Dritte & Lieferanten

Moderne Industrieunternehmen stützen sich auf ein verzweigtes Netzwerk von Drittparteien – Anbieter, Auftragnehmer, Zulieferer, Dienstleister. Jeder von ihnen kann potenzielle Sicherheitsrisiken mit sich bringen. An einer deutschen Konzernzentrale gibt es z. B. externe IT-Dienstleister für Systemwartung, Reinigungsfirmen mit abendlichem Zugang zu Büros, Logistikfirmen, die Prototypen anliefern, sowie Hersteller, die zur Unterstützung direkt im Firmennetz eingebunden sind. Lieferketten- und Drittparteirisiken beziehen sich auf Bedrohungen, die über solche externen Partner in das Unternehmen getragen werden.

Wichtige Aspekte sind:

  • Erweiterte Angriffsfläche: Jede Drittpartei mit Netzwerkzugriff oder physischem Zutritt zur Zentrale vergrößert die Angriffsfläche des Unternehmens. Externe Dienstleister arbeiten oft mit ihren eigenen Geräten und halten sich u. U. nicht an die Sicherheitsrichtlinien der Firma. Das macht sie für Angreifer attraktiv. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass die Mehrheit der Organisationen bereits aufgrund von Drittparteien Sicherheitsvorfälle erlitt – laut einer Ponemon-Umfrage haben 59% der Unternehmen eine Datenpanne erlebt, die durch einen Dienstleister verursacht wurde. Ein Beispiel: Der Laptop eines Wartungstechnikers ist extern mit Malware infiziert worden und schleust diese ins Firmennetz ein, sobald er vor Ort angeschlossen wird. Oder ein IT-Dienstleister nutzt ein einziges VPN-Konto für mehrere Mitarbeiter – werden diese Zugangsdaten irgendwo kompromittiert, könnte damit auch das eigene Unternehmensnetz offenstehen.

  • Datenverarbeitung durch Lieferanten: Drittanbieter müssen häufig sensible Daten des Unternehmens verarbeiten, um ihre Aufgaben zu erfüllen (man denke an einen externen Lohnabrechnungsdienst oder einen Cloud-IT-Betreuer). Wenn diese Anbieter schwache Sicherheitsmaßnahmen haben, sind die anvertrauten Daten gefährdet. Ein Einbruch bei einem Dienstleister kann zu einem Leak von vertraulichen Informationen führen – und dennoch wird die eigene Firma meist den Hauptreputations- und rechtlichen Schaden tragen. Nach der DSGVO haftet ein Unternehmen mit, wenn ein Auftragsverarbeiter (Dienstleister) unsachgemäß mit personenbezogenen Daten umgeht. Somit kann ein Datenschutzvorfall bei einem Partner auch für das beauftragende Unternehmen Bußgelder und Auflagen bedeuten. Es ist daher wichtig, bei der Auswahl von Dienstleistern sorgfältige Due Diligence zu betreiben (Sicherheitsaudits, Bonitätsprüfungen etc.), in Verträgen klare Sicherheitsanforderungen festzulegen (z. B. Verschlüsselung, Subunternehmer nur mit Zustimmung, Audit-Rechte) und kritische Partner laufend zu überwachen. Viele deutsche Unternehmen verlangen mittlerweile von ihren Lieferanten Sicherheitszertifikate wie ISO 27001 oder TISAX, um sicherzustellen, dass ein gewisses Mindestniveau an Sicherheitskontrollen vorhanden ist.

  • Lieferkettenangriffe und Abhängigkeitsrisiken: Gegner können es gezielt auf kleinere Zulieferer absehen, um über diesen Umweg größere Ziele anzugreifen – man spricht von Supply-Chain-Angriffen. Ein prominentes Beispiel weltweit war der SolarWinds-Vorfall, bei dem Hacker die Software-Updates eines IT-Dienstleisters kompromittierten, um zahlreiche Großunternehmen zu infiltrieren. Im Kontext einer Industrie-Zentrale könnte ein Angreifer bspw. einen vertrauenswürdigen Softwarelieferanten hacken und Schadcode in dessen Update einschleusen, den die Zentrale unwissentlich installiert – und so ihre Netzwerke preisgibt. Ebenso könnten Hardware-Lieferungen manipuliert werden (physische Supply-Chain-Risiken), indem Komponenten mit Hintertüren versehen oder ausgetauscht werden. Zusätzlich spielen Abhängigkeiten eine Rolle: Fällt ein wichtiger Lieferant oder Service infolge eines Sicherheitsproblems aus, steht womöglich die eigene Produktion oder Dienstleistung still. Etwa: Erleidet der einzige Lieferant eines speziellen Bauteils für die Produktentwicklung einen Cyberangriff und kann wochenlang nicht liefern, verzögern sich alle entsprechenden Projekte in der Zentrale. Gegenmaßnahmen umfassen die Diversifizierung von Lieferanten (nicht nur auf einen Anbieter verlassen), vertragliche Zusicherungen zur Sicherheit, sowie die Integration von Schlüssellieferanten in das eigene Krisenmanagement (z. B. direkter Draht, um bei deren Vorfällen sofort informiert zu werden und Gegenmaßnahmen einleiten zu können).

  • Physischer Zugang von Drittpersonal: Dienstleister wie Reinigungskräfte, Catering-Personal, Handwerker und Lieferanten benötigen oft Zutritt zu Firmenräumen. Diese Externen stehen nicht immer unter dauernder Aufsicht. Ohne angemessene Überprüfung und Kontrolle könnte ein böswilliger Akteur sich unter dem Deckmantel eines Auftragnehmers einschleusen. Fälle, in denen sich Unbefugte als Paketboten oder Elektriker ausgeben, um in ein Gebäude zu gelangen, sind durchaus vorgekommen. Aber auch echte Auftragnehmer können aus Versehen oder absichtlich Schaden anrichten – z. B. könnte eine Reinigungskraft, die eine Tür für Bequemlichkeit offen lässt, einem Einbrecher Einlass gewähren, oder ein Techniker könnte vertrauliche Dokumente entwenden, wenn er allein in einem Büro gelassen wird. Um dem entgegenzuwirken, sollten Unternehmen strikte Besucher- und Ausweismanagement-Systeme für alle Dritten umsetzen, Hintergrundüberprüfungen für sicherheitskritische Auftragnehmer durchführen und Externe in sensiblen Bereichen möglichst begleiten. Einfache Maßnahmen wie die Ausgabe zeitlich begrenzter Besucherausweise (die z. B. täglich ihre Gültigkeit verlieren) und die Kontrolle, dass diese beim Verlassen zurückgegeben werden, können Missbrauch vorbeugen (man denke an den Fall, dass ein Handwerker-Ausweis verloren geht und später von Unbefugten genutzt wird).

Beispieltabelle – Risiken durch Dritte und mögliche Kontrollen:

Partnertyp

Gefahrenszenario

Empfohlene Gegenmaßnahme

IT-Dienstleister

Gemeinsame Nutzung eines VPN-Logins durch mehrere Techniker, wodurch bei Diebstahl der Zugangsdaten Unbefugte ins Netz gelangen könnten

Individuelle Accounts mit minimal nötigen Rechten ausgeben; Multi-Faktor-Authentifizierung und Sitzungsprotokollierung für alle Zugriffe von Dienstleistern erzwingen.

Logistikpartner

Nicht verifizierter Liefer-Lkw erhält Zugang zum Betriebshof, Fahrer wird nicht eindeutig identifiziert (könnte ein Eindringling sein)

Vorherige Ankündigung aller Lieferungen und Identitätskontrolle am Werkstor; Lieferzeitfenster vorgeben und amtlichen Ausweis/Firmenausweis des Fahrers prüfen.

Wartungsauftragnehmer

Auftragnehmer gibt am Schichtende seinen Zugangsausweis nicht zurück, was eine spätere missbräuchliche Nutzung oder nächtlichen Zutritt ermöglicht

Täglichen Checkout-Prozess für temporäre Ausweise implementieren; Sicherheitspersonal muss prüfen, dass alle Ausweise von Auftragnehmern eingesammelt und deaktiviert werden, bevor diese das Gelände verlassen.

Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, das Management externer Partner zu verschärfen: ihre Zugriffe zu begrenzen, ihre Aktivitäten zu überwachen und prozedurische Lücken zu schließen. Viele Organisationen verfolgen inzwischen einen Zero-Trust-Ansatz gegenüber Dritten – das heißt, man vertraut externen Nutzern oder Geräten niemals blind, auch nicht, wenn sie Teil des eigenen Netzwerks sind. Entsprechende Maßnahmen umfassen Netzwerksegmentierung für externe Verbindungen, Zugänge nur nach dem Prinzip “just-in-time” (Zugriff wird nur bei Bedarf freigeschaltet und danach sofort wieder entzogen) und die Echtzeit-Überwachung dessen, was Fremde in den Systemen tun. Zudem sollte die Konzernsicherheit regelmäßig die bestehenden Dritt-Beziehungen und Offboarding-Prozesse überprüfen – z. B. sicherstellen, dass nach Abschluss eines Projekts alle Accounts des Dienstleisters deaktiviert und Ausweise zurückgegeben wurden. Risk Intelligence für Dritte gewinnt ebenfalls an Bedeutung: Unternehmen können Dienste nutzen, die sie alarmieren, wenn einer ihrer Lieferanten Sicherheitsprobleme hat oder z. B. ein Mitarbeiter des Partners in kriminelle Aktivitäten verwickelt war. Die Kenntnis solcher Informationen ermöglicht proaktives Handeln (etwa das vorübergehende Sperren des Partnerzugangs, bis dessen Problem behoben ist). Letztlich gilt, was ein Experte treffend formulierte: Lieferanten und Auftragnehmer stellen oft ein höheres inhärentes Risiko dar als interne Mitarbeiter, da sie außerhalb der vollen Kontrolle des Unternehmens agieren. Dieses Risiko zu beherrschen, ist heute ein integraler Bestandteil der Konzernsicherheit.

Spionage- und IP-Risiken (Schutz des Know-hows)

Industrielle Zentralen in Deutschland sind häufig Schatzkammern an geistigem Eigentum (Intellectual Property, IP) – von technischen Konstruktionszeichnungen und Patenten bis hin zu strategischen Plänen. Dies macht sie zu begehrten Zielen für Spionage durch Wettbewerber, fremde Nachrichtendienste oder auch kriminelle Organisationen, die dieses wertvolle Wissen stehlen oder unerlaubt nutzen wollen.

Die Risiken durch Wirtschaftsspionage und IP-Diebstahl äußern sich in verschiedener Form:

  • Social Engineering und Hochstapelei: Spione könnten versuchen, physisch zu infiltrieren, indem sie sich als jemand anderes ausgeben – z. B. als Bewerber mit gefälschter Identität, um eingestellt zu werden (und dann an Firmengeheimnisse zu gelangen), oder als vermeintlicher Prüfer/Techniker, um eine Führung durch sensible Bereiche zu erhalten. Ein klassisches Beispiel ist ein falscher Techniker, der an der Pforte auftaucht und vorgibt, die IT-Anlage warten zu müssen, in der Hoffnung, dass der Empfang ihn aus Respekt vor dem “Fachmann” einlässt. Ohne strikte Verifikationsprozesse können solche Social-Engineering-Tricks viele Sicherheitsebenen aushebeln. Gerade Empfangsbereiche sind ein neuralgischer Punkt – daher schulen einige deutsche Firmen ihre Empfangsteams dahingehend, Ausweise und Aufträge genau zu prüfen und ungewöhnliche Besucheransinnen (etwa allein einen Konferenzraum nutzen zu wollen) skeptisch zu behandeln. Auch das bereits erwähnte “Tailgating” kann Teil eines Spionageplans sein – etwa wenn sich ein Agent dicht hinter einen Mitarbeiter klemmt, um in einen F&E-Trakt zu gelangen, und dann rasch mit einem kleinen USB-Gerät Daten von einem unbeaufsichtigten Rechner kopiert.

  • Überwachung und Abhören: Spionage beschränkt sich nicht auf das Entwenden von Dokumenten; sie kann auch das Ausspähen sensibler Informationen durch Beobachtung umfassen. Dazu zählt unerlaubtes Fotografieren oder Filmen in sensiblen Bereichen. Man stelle sich vor, jemand nimmt – selbst wenn er offiziell zu Besuch ist – unbemerkt mit dem Smartphone ein Video der Produktionslinie oder der Prototypen im Entwicklungszentrum auf; Wettbewerber könnten aus diesen Aufnahmen wichtige Details zu Prozessen oder Designs gewinnen. Auch das Einschleusen von Abhörgeräten in Besprechungszimmer oder das Ausspähen aus der Ferne sind gängige Taktiken. So wurden in Spionagefällen schon Wanzen in Konferenzräumen versteckt oder Richtmikrofone eingesetzt, um Gespräche zu belauschen. Drohnen kommen als neues Werkzeug hinzu – sie können über Firmengelände fliegen und Luftbilder von Testeinrichtungen machen oder versuchen, nahe genug an Gebäude heranzukommen, um Funksignale (z. B. WLAN) abzugreifen. Das BSI hat in einem Arbeitspapier auf solche drohnengestützten Bedrohungen hingewiesen; Drohnen können relativ kostengünstig mit Kameras oder Sensoren bestückt werden, um bspw. Wärmebilder zu erstellen oder die Umgebung zu überwachen. Unternehmen denken daher inzwischen auch über Drohnendetektionssysteme nach, insbesondere bei abgeschiedenen Forschungsarealen. Ein einfacherer Ansatz ist oftmals, klare Verbote für jegliches Fotografieren auf dem Firmengelände auszusprechen (und per Beschilderung und Schulung zu kommunizieren) – so lässt sich zumindest die Ausrede, man habe “nur privat fotografiert”, entkräften.

  • Diebstahl sensibler Materialien: Darunter fällt der physische Diebstahl von Prototypen, technischen Zeichnungen, R&D-Mustern oder sicherheitsrelevanten Datenträgern. Ein Insider (oder auch eine Reinigungskraft oder ein Besucher) könnte Dokumente vom Schreibtisch entwenden oder heimlich Kopien anfertigen. Es gab Fälle, in denen Mitarbeiter gedruckte Konstruktionspläne oder gar Bauteile in der Kleidung oder Tasche aus dem Gebäude schmuggelten. Ebenso können Laptops oder USB-Sticks mit streng vertraulichen Daten gestohlen werden, wenn sie unbeaufsichtigt gelassen werden (z. B. im Hotelzimmer eines Mitarbeiters oder aus einem Meetingraum). Solche Vorfälle führen nicht nur zu unmittelbarem Verlust von Know-how, sondern erschweren auch die Aufklärung (oft ist unklar, welche Informationen entwendet wurden, bis man später Anzeichen bemerkt, etwa ein Konkurrent bringt ein verdächtig ähnliches Produkt heraus). Strikte Clean-Desk-Policies (keine liegen gelassenen Dokumente), verschlossene Schränke für wichtige Unterlagen und vor allem die konsequente Verschlüsselung von Geräten und Datenträgern sind entscheidende Gegenmaßnahmen. Einige Unternehmen gehen dazu über, in Hochsicherheitsbereichen elektronische Geräte zu verbieten oder nur Firmengeräte zuzulassen, auf denen keine Daten lokal gespeichert werden (Virtual Desktop Infrastructure).

  • Zusammenarbeit von Insidern mit Externen: Die wohl gefährlichste Form der Spionage ist ein gezielt eingeschleuster oder angeworbener Innentäter. Dies überschneidet sich mit den Insider-Bedrohungen, hat aber eine staatliche oder wirtschaftskriminelle Dimension. Der deutsche Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz) warnt regelmäßig, dass ausländische Staaten deutsche Firmen für wirtschaftliche Spionage ins Visier nehmen – und dabei häufig versuchen, Insider zu gewinnen. Angesichts der starken industriellen Basis Deutschlands ist das Land „besonders bedroht“ durch solche Ausspähungen, insbesondere durch Länder, die ihre wirtschaftliche und technologische Macht ausbauen wollen. Eine aktuelle Umfrage zeigte, dass 80% der deutschen Unternehmen in den letzten 12 Monaten Opfer von Datendiebstahl, Industriespionage oder Sabotage wurden – ein alarmierender Wert, der die Verbreitung dieser Gefahr unterstreicht. Bemerkenswert dabei: 45% der betroffenen Unternehmen führten die Angriffe auf Akteure in China zurück und 39% auf Akteure in Russland, was geopolitische Hintergründe deutlich macht. Insider können aus finanziellen Motiven handeln (Geheimnisse gegen Geld), aus Ideologie oder unter Zwang (z. B. Erpressung). Beispiele reichen vom Entwicklungsingenieur, der kurz vor dem Jobwechsel zu einem Mitbewerber noch Unterlagen mitgehen lässt, bis hin zu Angestellten, die für ausländische Nachrichtendienste arbeiten und systematisch Informationen abziehen. Hier sind robuste Insider-Programme, wie bereits diskutiert, entscheidend: Das beinhaltet Monitoring auf ungewöhnliche Datenabflüsse, aber auch das Schaffen eines Arbeitsumfelds, in dem Mitarbeiter loyal bleiben und bei Verdachtsmomenten Unterstützung bieten. Zum Beispiel sollten Mitarbeiter wissen, dass sie einem Vorgesetzten oder der Sicherheitsabteilung melden können, wenn sie von jemandem außerhalb der Firma angesprochen wurden, der ungewöhnliche Fragen stellt oder Informationen kaufen will – solche Meldungen können frühzeitig Spionageaktivitäten aufdecken.

Die Auswirkungen erfolgreicher Spionage können verheerend sein: Verlust des Technologievorsprungs, Einbußen von Marktanteilen und erheblicher finanzieller Schaden. Das Bundesinnenministerium schätzt, dass die Wirtschaftsspionage der deutschen Volkswirtschaft jährlich Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe zufügt. Ein jüngerer Fall, der für Aufsehen sorgte, war die Erkenntnis, dass chinesische Hacker über Jahre den deutschen Automobilkonzern Volkswagen ausspioniert hatten – ein Beispiel, das sowohl Cyber- als auch Insider-Aspekte hatte (Malware-Einsatz und womöglich Versäumnisse in der internen IT-Sicherheit). Die Antwort auf Spionagerisiken muss daher umfassend sein: technische Schutzmaßnahmen wie Netzwerkmonitoring (um große Datenabflüsse zu erkennen), physische Sicherheitsvorkehrungen wie das Bewachen von sensiblen Bereichen und sogar Abfallcontainern (Stichwort “Dumpster Diving” – das Durchsuchen von Papierkörben nach entsorgten Geheimnissen), und personelle Maßnahmen wie gründliche Sicherheitsüberprüfungen bei Einstellungen und Austritten (z. B. Nachgespräch, ob alle Firmenunterlagen zurückgegeben wurden). Unternehmen sollten identifizieren, was ihre “Kronjuwelen” sind – also die spezifischen Daten oder Rezepturen, die geschäftskritisch sind – und dafür zusätzliche Schutzmechanismen einsetzen (z. B. strikte Zugriffsbeschränkungen nach dem Need-to-know-Prinzip, Einsatz von Data Loss Prevention Software etc.). Eine Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden kann ebenfalls wertvoll sein; so bietet der Verfassungsschutz Unternehmen Beratung und Schulungen zu Spionageabwehr an und kann mit geheimdienstlichen Hinweisen unterstützen, wenn bestimmte Branchen oder Unternehmen ins Visier fremder Dienste geraten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Wirtschaftsspionage und Know-how-Diebstahl für deutsche Industrieunternehmen ein zentrales Risiko darstellen, gerade wegen ihres Technologiereichtums. Es ist ein Bereich, in dem Unternehmenssicherheit, IT-Schutz und oft auch nationale Sicherheit ineinandergreifen. Die beste Verteidigung ist ein starker Mix aus Wachsamkeit, Mitarbeiterloyalität und abgestuften Sicherheitsmaßnahmen – das heißt, es potenziellen Angreifern so schwer wie möglich zu machen, unbemerkt an die “Familiensilber” heranzukommen, und sicherzustellen, dass man im Fall eines Versuchs in der Lage ist, diesen schnell zu entdecken und einzudämmen.