PIC/S‑Gute Herstellungspraxis (GMP) im Facility Management
Die zunehmende Komplexität pharmazeutischer Produktionsstätten stellt das Facility Management vor besondere Herausforderungen. Als Leiter:innen des Facility Managements tragen Sie Verantwortung für Infrastruktur, technische Anlagen und Services. Diese Verantwortung wird durch die Good Manufacturing Practice (GMP) in der Fassung des Pharmaceutical Inspection Co‑operation Scheme (PIC/S) um eine regulatorische Dimension erweitert. GMP soll sicherstellen, dass Arzneimittel unter kontrollierten Bedingungen hergestellt werden und ihre Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit gewährleisten. Facility Management ist folglich nicht nur betriebswirtschaftliche Aufgabe, sondern integraler Bestandteil eines Qualitäts‑ und Sicherheitsmanagements.
Die Good Manufacturing Practice des PIC/S ist mehr als ein regulatorischer Rahmen – sie definiert einen Qualitätsstandard, der das Facility Management in der pharmazeutischen Industrie tiefgreifend prägt. Als Leiter:in des Facility Managements müssen Sie die baulichen Anforderungen an Premises und Equipment erfüllen, Reinraumklassifikationen richtig umsetzen und Sicherheitsmanagement im Sinne von ISO 27001 und GEFMA 310 gestalten. Kreuzkontaminationskontrolle erfordert ein risikobasiertes Vorgehen, die Festlegung gesundheitsbasierter Expositionsgrenzen und die konsequente Umsetzung der PIC/S‑Guidance. Notfall‑ und Krisenmanagement sichert die Reaktionsfähigkeit und dokumentiert die Betreiberverantwortung. Nur durch ein integriertes Qualitäts‑ und Sicherheitsmanagement, getragen von kompetenter Führung und kontinuierlicher Verbesserung, kann die GMP‑Konformität langfristig gewährleistet werden. Das Facility Management wird so zum strategischen Partner für Qualitätssicherung, Produktsicherheit und regulatorische Compliance.
Regulatorischer Rahmen und Aufbau des PIC/S‑GMP‑Leitfadens
Die rechtliche Grundlage für die Produktion von Human‑ und Veterinärarzneimitteln ist in der Europäischen Union im Volume 4 des „EudraLex“ verankert. Dieser Band enthält die „Guidance for the interpretation of the principles and guidelines of good manufacturing practices for medicinal products“, welche durch europäische Richtlinien (z. B. 91/356/EEC, 2003/94/EC) legitimiert sind und in einzelne Kapitel gegliedert werden. Das Pharmaceutical Inspection Co‑operation Scheme (PIC/S) harmonisiert diese Vorgaben auf internationaler Ebene. Die aktuelle Ausgabe des PIC/S‑GMP‑Leitfadens (PE 009‑16) wurde 2024 veröffentlicht; sie gliedert sich in zwei Teile und zwanzig Anhänge: Teil I behandelt die GMP‑Grundsätze für die Herstellung von Arzneimitteln, Teil II widmet sich den aktiven Wirkstoffen, und die Annexes ergänzen spezifische Anforderungen, z. B. an sterile Produkte, computergestützte Systeme oder Verpackungen. Der Leitfaden basiert auf einem umfassenden Qualitätsmanagementsystem und umfasst neun Kapitel: Pharmaceutical Quality System, Personal, Premises and Equipment, Documentation, Production, Quality Control, Outsourced Activities, Complaints and Product Recall sowie Self Inspection. Aus deutscher Sicht wird die Anwendung der Guten Herstellungspraxis über die Arzneimittel‑ und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) abgesichert; die Europäische Kommission stellt den vollständigen Bestand der Grundsätze und Leitlinien in aktueller Fassung bereit.
Anforderungen an Gebäude und Anlagen
Für Leiter:innen des Facility Managements ist das Kapitel Premises and Equipment von zentraler Bedeutung. Die EU‑GMP‑Leitlinie verlangt, dass „Räume und Ausrüstung so platziert, gestaltet, konstruiert, angepasst und instandgehalten werden müssen, dass sie für die durchzuführenden Operationen geeignet sind“. Die Layout‑ und Design‑Prinzipien sollen Fehlerquellen minimieren und eine effektive Reinigung sowie Wartung ermöglichen, um Kreuzkontaminationen, Staub‑ oder Schmutzansammlungen und grundsätzlich jegliche negative Beeinflussung der Produktqualität zu vermeiden. Diese Anforderungen korrespondieren mit der Pflicht des Facility Managements, Gebäude strukturell so zu gestalten, dass Produkt und Personal geschützt werden. Baulich bedeutet dies beispielsweise eine klare Trennung von Schwarz‑/Weiß‑Bereichen, Material‑ und Personalflüssen, Hygieneschleusen und definierte Reinigungsregime.
Für sterile Produkte gelten zusätzlich strenge Reinraumklassifikationen. Die GMP‑Leitlinie unterscheidet vier Gradzonen (A – D): Grade A entspricht ISO‑Klasse 5 und wird für hochkritische Arbeiten wie Aseptik‑Füllzonen, offene Ampullen oder aseptische Verbindungen verwendet. Sinks und Abflüsse sind in den Grade‑A‑ und Grade‑B‑Bereichen verboten; ein Laminar‑Flow‑Cabinet kann Grade A‑Reinheit in einem Grade‑B‑Hintergrund erzeugen Grade B (ISO 5/7) dient als Hintergrund für Grade A und erfordert ein Partikelmonitoring mit Alarm. Grade C (ISO 7/8) und Grade D (ISO 8) werden für weniger kritische Tätigkeiten wie das Wiegen oder die Herstellung von Lösungen zur Terminalsterilisation genutzt. Die Kenntnis dieser Reinraumklassen ermöglicht Facility‑Manager:innen eine qualifizierte Planung und Überwachung der lufttechnischen Anlagen, Filterstufen, Druckdifferenzen und Reinigungsintervalle.
Sicherheitsmanagement – physische und organisatorische Sicherheit
Sicherheit im GMP‑Facility Management beschränkt sich nicht auf mikrobiologische Reinheit. Auch der Zutritt zu Gebäuden, Räumen und Daten muss kontrolliert werden. Die Norm ISO 27001:2022 behandelt Informationssicherheits‑Managementsysteme und enthält in Annex A 7.3 explizite Vorgaben zur physischen Sicherheit von Büroräumen und Einrichtungen. Die Norm fordert, dass der physische Schutz gestaltet und implementiert werden muss. Der Zweck des Controls besteht darin, unbefugten physischen Zugang, Beschädigungen oder Störungen von Informationen und Assets zu verhindern. Im Rahmen eines risikobasierten Ansatzes sind nur autorisierte Personen zuzulassen; Zugangsberechtigungen müssen dem Aufgabengebiet entsprechen und regelmäßig überprüft werden. Für Facility‑Manager:innen bedeutet dies, dass Zutrittssysteme, Videoüberwachung, biometrische Authentifizierungen und Besuchermanagement Teil des Sicherheitskonzeptes sein müssen.
In Deutschland existiert zudem das GEFMA 310‑Modell, das Regelwerke nach ihrer Verbindlichkeit in fünf Konformitätslevel (KL0 – KL4) einordnet. Laut GEFMA 310 sind im Facility Management insbesondere die Konformitätslevel KL1 (gesetzlich verpflichtend) und KL2 (technische Regeln mit Vermutungswirkung) ohne Ausnahme einzuhalten; Abweichungen in KL2 sind nur zulässig, wenn ein gleiches Sicherheitsniveau nachweislich erreicht wird. Die Systematik hilft Facility‑Manager:innen, die Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, DIN‑Normen und VDI‑Richtlinien strukturiert zu bewerten und priorisieren. Die Einhaltung dieser Regelwerke schützt nicht nur vor Sanktionen, sondern gewährleistet einen sicheren, wirtschaftlichen und nachhaltigen Gebäudebetrieb.
Kontaminationskontrolle und Risiko‑Management
Ein wesentliches Risiko in geteilten Anlagen ist die Kreuzkontamination. Das PIC/S‑GMP‑Leitwerk hat mit der 2018 eingeführten Aide Mémoire PI 043‑1 „Cross‑Contamination in Shared Facilities“ ein Instrument geschaffen, um die Beurteilung solcher Risiken zu systematisieren. Ein Blog von Affygility Solutions weist darauf hin, dass am 1. Juli 2018 das PIC/S‑Guidance zur Kreuzkontamination in Kraft trat. Die überarbeiteten Kapitel 3 und 5 des PIC/S‑GMP‑Leitfadens enthalten Anforderungen zur Prävention von Kreuzkontamination, und die begleitende HBEL‑Guideline (Health Based Exposure Limits) formuliert Pflicht zur Ermittlung zulässiger täglicher Expositionen (ADE/PDE) für geteilte Anlagen. Diese Guidance ist weltweit relevant, da viele Länder bei Inspektionen auf PIC/S‑Vorgaben zurückgreifen.
Auch das EU‑GMP‑Regelwerk adressiert Kreuzkontamination. Kapitel 5 (Production) wurde in den letzten Jahren angepasst, und Annex 15 betont die Bedeutung einer risikobasierten Präventionsstrategie. Die ECA‑Zusammenfassung weist darauf hin, dass das FDA‑Dokument „Non‑Penicillin Beta‑Lactam Drugs: A CGMP Framework for Preventing Cross‑Contamination“ 2018 im Entwurf veröffentlicht wurde und Designanforderungen sowie organisatorische Maßnahmen in 15 Punkten beschreibt – von geschlossenen Systemen, dedizierten Produktionsbereichen und Lüftungssystemen bis zur Risikobewertung bei Produkt‑ oder Prozessänderungen. Ein risikobasiertes Qualitätsmanagement nach ICH Q9 verlangt, dass potenzielle Quellen der Kreuzkontamination identifiziert, bewertet und überwacht werden; Entscheidungshilfen wie Health‑Based Exposure Limits liefern quantitative Grenzwerte für die Reinigungsvalidierung und die Freigabe geteilten Equipments.
Für die Ermittlung von HBELs verlangt die EMA‑Guideline zur Festlegung gesundheitsbasierter Expositionsgrenzen (2015) sowie die zugehörige Q&A‑Liste, dass bei der Beauftragung externer Toxikolog:innen vertragliche Vereinbarungen gemäß Kapitel 7 der GMP‑Leitlinie bestehen und die Qualifikation der Fachpersonen überprüft wird. Dies unterstreicht die Bedeutung von Lieferantenqualifizierung und Dokumentation im Facility‑Management.
Notfall‑ und Krisenmanagement
Sicherheit umfasst neben der Prävention auch die Reaktion auf unvorhersehbare Ereignisse. Das net‑haus‑Portal erinnert daran, dass im Facility Management eine regelkonforme Notfall‑ und Krisenvorsorge Pflicht ist. Notfallmanagement bezeichnet die strukturierte Vorbereitung und Reaktion auf plötzlich eintretende Störungen oder Gefahrenlagen, um Schäden zu minimieren und den Normalbetrieb möglichst schnell wiederherzustellen; Krisenmanagement geht darüber hinaus und umfasst strategische Maßnahmen bei komplexen, langanhaltenden Ereignissen wie Pandemien oder längeren Ausfällen kritischer Infrastruktur. Beide Bereiche sind Teil der Betreiberverantwortung – Gebäude müssen sicher, funktionsfähig und gesetzeskonform betrieben werden.
Facility‑Manager:innen müssen in Notfallsituationen schnell und koordiniert handeln. Das umfasst nicht nur Brandschutz und Evakuierung, sondern auch Kommunikation mit Nutzer:innen, Dienstleistern und Einsatzkräften, Dokumentation, Risikobewertung sowie präventive Maßnahmen und Schulungen. Ein wirksamer Notfallplan enthält Risikobewertungen, klare Verantwortlichkeiten, Maßnahmenkataloge, definierte Kommunikationswege, zentrale Dokumentation und regelmäßige Übungen. Die im Beitrag beschriebene Fallstudie – ein Rohrbruch in einem Bürogebäude – zeigt, wie ein digitales Ticketsystem im Facility Management die strukturierte Schadensbearbeitung unterstützt. Solche Systeme sind besonders relevant, wenn in GMP‑Bereichen Produktionsausfälle erhebliche wirtschaftliche Folgen und Risiken für die Produktqualität mit sich bringen.
Qualitätskultur und Führungsverantwortung
Die Umsetzung der PIC/S‑GMP‑Vorgaben und der Sicherheitsnormen erfordert eine gelebte Qualitätskultur. Diese beginnt mit dem Pharmaceutical Quality System (PQS), das von der obersten Führungsebene getragen werden muss. Facility‑Manager:innen sind Teil dieser Führungsstruktur und haben eine Schnittstellenfunktion zwischen technischen Dienstleistern, Qualitätsmanagement und Produktion. Entscheidungen über Investitionen in Reinraumausstattung, Zutrittskontrolle, Reinigungsvalidierung oder Notfallmanagement müssen in enger Abstimmung mit der Qualified Person und dem Qualitätsmanagement getroffen werden, damit die Anforderungen an Dokumentation, Qualifizierung und Validierung eingehalten werden.
Kontinuierliche Verbesserung ist ein Kernprinzip der PIC/S‑GMP. Eigeninspektionen (Self Inspection) sind daher verpflichtend und müssen sich auch auf die Facility‑Management‑Prozesse erstrecken. Kapazitätsengpässe, organisatorische Schwachstellen und Sicherheitslücken müssen identifiziert und zeitnah behoben werden. Schulungen des technischen Personals zu GMP‑Anforderungen, Hygieneverhalten, Reinigungsverfahren und Sicherheitsrichtlinien sind unerlässlich. Eine enge Zusammenarbeit mit den Abteilungen für Qualitätssicherung, Risikomanagement und Arbeitsschutz hilft, synergetische Lösungen zu entwickeln und regulatorische Inspektionen zu bestehen.