Unternehmenssicherheitsmanagementsystem
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Unternehmenssicherheitsmanagementsystem im Facility Management
Dem Unternehmenssicherheitsmanagement kommt eine zentrale Rolle zu: Es umfasst alle Strategien und Maßnahmen, mit denen ein Unternehmen seine Mitarbeitenden, Sachwerte, Informationen und Prozesse vor Schaden, Ausfällen oder kriminellen Handlungen schützt. Diese Unternehmenssicherheit erstreckt sich von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz über Objektschutz, Brandschutz und Notfallmanagement bis hin zur Informationssicherheit und Datenschutz. Im Kontext des Facility Management (FM) – der ganzheitlichen Bewirtschaftung und Verwaltung von Gebäuden, Flächen und Dienstleistungen – ist die Sicherheit ein wesentliches Handlungsfeld. Facility Management wird nach der Norm DIN EN ISO 41011 als Organisationsfunktion definiert, die Menschen, Orte und Prozesse in der gebauten Umgebung integriert, um die Lebensqualität der Menschen und die Produktivität des Kerngeschäfts zu verbessern1. Zu diesen Prozessen gehören insbesondere infrastrukturelle FM-Dienstleistungen wie Werkschutz, Empfangsdienste, Zugangs- und Zutrittskontrollen, Anlagenüberwachung sowie organisatorische Maßnahmen der Notfall- und Gefahrenabwehr2. Unternehmenssicherheit ist folglich kein isoliertes Aufgabengebiet, sondern integraler Bestandteil des Facility Management: Sicherheitsdienste, technische Sicherungseinrichtungen und präventive Schutzmaßnahmen müssen nahtlos in die Bewirtschaftung von Industrieanlagen und Liegenschaften eingebettet sein.
Unternehmenssicherheitsmanagementsystem im Überblick
Regulatorischer Rahmen
Die Gestaltung eines Unternehmenssicherheitsmanagementsystems muss den geltenden rechtlichen Vorgaben in Deutschland sowie internationalen Normvorgaben Rechnung tragen.
Zu den zentralen Gesetzen auf nationaler Ebene zählen insbesondere:
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Verpflichtet Arbeitgeber, für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten am Arbeitsplatz zu sorgen, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen3. Das ArbSchG bildet die Grundlage der betrieblichen Arbeitssicherheit und schreibt eine organisatorische Verankerung des Arbeitsschutzes im Unternehmen vor (z.B. Bestellung von Sicherheitsfachkräften und Betriebsärzten gemäß Arbeitssicherheitsgesetz).
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV): Regelt die Sicherheit von Arbeitsmitteln und Anlagen im Betrieb. Sie verlangt, dass technische Arbeitsmittel regelmäßig geprüft und nur in sicherem Zustand betrieben werden. Für das Facility Management sind insbesondere Vorschriften zu Prüfintervallen von Anlagen (z.B. elektrische Anlagen, Aufzüge) relevant, um Unfälle oder Ausfälle zu vermeiden.
Brandschutz- und Bauvorschriften: Die Landesbauordnungen und spezifische Verordnungen (wie die Muster-Industriebaurichtlinie) schreiben bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen des Brandschutzes vor (z.B. Feuerlöscheinrichtungen, Fluchtwege, Brandmeldeanlagen). Unternehmen sind verpflichtet, Brandschutzkonzepte zu erstellen und Brandverhütung regelmäßig zu üben (vgl. DGUV-Regel 112-191 für Flucht- und Rettungspläne).
Datenschutzgesetze (DSGVO, BDSG): Sobald Sicherheitsmaßnahmen personenbezogene Daten berühren (z.B. Videoüberwachung, Zutrittskontrollsysteme mit Personaldaten), greifen die Datenschutz-Grundverordnung der EU und das Bundesdatenschutzgesetz. Sie stellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit, Datenminimierung und Sicherung dieser Daten. Ein Sicherheitsmanagement muss daher eng mit dem Datenschutzbeauftragten zusammenarbeiten, um die informationelle Sicherheit zu gewährleisten.
IT-Sicherheitsgesetz und BSI-Gesetz: Für Betreiber kritischer Infrastrukturen (z.B. Energie, Wasser, Telekommunikation) schreibt das IT-Sicherheitsgesetz erhöhte Anforderungen an die IT-Sicherheit und Meldung von IT-Vorfällen vor. Das BSI-Gesetz verpflichtet Unternehmen bestimmter Sektoren, Mindeststandards der IT-Sicherheit einzuhalten und ermöglicht dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Kontrollen und Warnungen. Auch industrielle Unternehmen außerhalb kritischer Infrastrukturen orientieren sich an diesen Standards, um Cyber-Risiken proaktiv zu begegnen.
Bewachungsrecht: Sollten Sicherheitsdienste (Werkschutz, Objektschutz) im eigenen Unternehmen oder über Dienstleister eingesetzt werden, greifen Regelungen der Gewerbeordnung (§ 34a GewO) und der Bewachungsverordnung. Sicherheitspersonal muss sachkundig sein und Zuverlässigkeitsprüfungen durchlaufen; Unternehmen des Sicherheitsgewerbes benötigen eine behördliche Zulassung. Diese Vorgaben beeinflussen die Personalauswahl und -qualifikation im Sicherheitsmanagement.
Neben Gesetzen spielen Normen und Standards eine entscheidende Rolle, um ein systematisches und anerkanntes Sicherheitsmanagement aufzubauen:
DIN EN ISO 9001 (Qualitätsmanagement): Diese international anerkannte Norm legt die Anforderungen an ein prozessorientiertes Qualitätsmanagementsystem fest. Für das Sicherheitsmanagement liefert ISO 9001 den strukturellen Rahmen (Plan-Do-Check-Act-Zyklus), um Prozesse zu lenken, Dokumentationen zu führen und kontinuierliche Verbesserungen umzusetzen4. Ein Sicherheitsmanagementsystem kann als integrierter Bestandteil des bestehenden Qualitätsmanagementsystems gestaltet werden, um Synergien in Dokumentation, Auditierung und Managementbewertung zu nutzen.
DIN ISO/IEC 27001 (Informationssicherheits-Management): ISO 27001 spezifiziert Anforderungen zur Einrichtung, Umsetzung und kontinuierlichen Verbesserung eines Informationssicherheits-Managementsystems (ISMS)5. Obwohl sie primär auf IT- und Datensicherheit abzielt, sind ihre Prinzipien – insbesondere die systematische Risikoanalyse, Schutzbedarfsermittlung und Maßnahmenkontrolle – auch auf die allgemeine Unternehmenssicherheit übertragbar. In Industrieunternehmen, die auf Vertraulichkeit und Verfügbarkeit von Produktionsdaten angewiesen sind, bildet ISO 27001 einen wichtigen Referenzrahmen für den Schutz vor Cyber-Bedrohungen.
DIN ISO 45001 (Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement): Diese Norm (2018 veröffentlicht) legt einen internationalen Standard für Managementsysteme zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit fest6. Unternehmen implementieren ISO 45001, um Arbeitsschutz systematisch zu verankern – von der Führungspolitik über Gefährdungsbeurteilungen bis zur Unfallauswertung. Für ein umfassendes Unternehmenssicherheitsmanagement ist ISO 45001 insofern relevant, als Arbeitssicherheit ein zentrales Teilgebiet der Unternehmenssicherheit darstellt und über ein zertifizierbares Managementsystem gesteuert werden kann.
DIN EN ISO 41001 (Facility-Management-Systeme): Als spezifische Norm für Facility Management (erschienen 2018) bietet ISO 41001 einen Rahmen für das Management von FM-Prozessen und -Services7. Sie betont die Notwendigkeit, Facility-Management-Ziele mit den strategischen Zielen der Organisation abzustimmen, und fordert eine klare Rollen- und Verantwortungszuweisung sowie Leistungskennzahlen im FM. Sicherheitsleistungen – wie Werkschutz, Empfang, Notfallorganisation – fallen klar in den Zuständigkeitsbereich des FM nach ISO 41001. Die Norm erleichtert daher die Integration des Sicherheitsmanagements in ein ganzheitliches FM-System.
Weitere einschlägige Normen: Je nach Schwerpunkt können weitere Standards relevant sein, z.B. ISO 14001 (Umweltmanagement) hinsichtlich Sicherheit bei Umweltrisiken, ISO 22301 (Business Continuity Management) zur Aufrechterhaltung des Betriebs im Krisenfall oder branchenspezifische Standards. In Deutschland setzt etwa die VdS-Schadenverhütung mit VdS 3473 einen Standard für Cyber-Security in KMU, und die DIN 77200 definiert Qualitätsmaßstäbe für Sicherheitsdienstleistungen (z.B. in Bezug auf Personalqualifikation, Alarmverfolgung und Leitstellen)8. Unternehmen können sich an diesen Normen orientieren oder zertifizieren lassen, um ein hohes professionelles Niveau ihres Sicherheitsmanagements nachzuweisen.
Es bildet der regulatorische Rahmen ein komplexes Geflecht aus bindenden Gesetzespflichten und freiwillig einsetzbaren Normvorgaben. Ein wirksames Unternehmenssicherheitsmanagementsystem muss diese Anforderungen erfüllen und sinnvoll zusammenführen. Dazu gehört die rechtskonforme Ausgestaltung aller Maßnahmen (Compliance) ebenso wie die Nutzung bewährter Standards, um Effizienz und Akzeptanz des Systems zu steigern.
Top-Down-Struktur des Sicherheitsmanagementsystems
Ein wirkungsvolles Sicherheitsmanagementsystem muss über alle Ebenen der Organisation verankert sein. Der Top-Down-Ansatz bedeutet, dass die Initiative und Unterstützung von der höchsten Leitungsebene ausgehen und dann über das mittlere Management bis zur operativen Umsetzung durchdringen. Im Folgenden werden die Rollen und Verantwortlichkeiten auf den verschiedenen Ebenen erläutert sowie deren Schnittstellen zueinander und zur Geschäftsführung dargestellt.
Strategische Unternehmensleitung und Governance
Auf der obersten Ebene liegt die Verantwortung für die Strategie und Governance der Unternehmenssicherheit bei der Geschäftsleitung bzw. dem Vorstand. Diese muss Sicherheitsziele als Bestandteil der Unternehmenspolitik definieren und formell verankern. Häufig geschieht dies in Form einer schriftlichen Sicherheitsleitlinie oder -politik, die vom Management verabschiedet und kommuniziert wird. Darin werden der Stellenwert der Sicherheit, grundlegende Ziele (wie „Schutz von Leben und Gesundheit“, „Verhinderung von Produktionsunterbrechungen“ etc.) und die Verpflichtung zur Bereitstellung notwendiger Ressourcen festgeschrieben. Die strategische Ebene legt außerdem fest, wie das Sicherheitsmanagement in die Unternehmensorganisation eingebettet ist – zum Beispiel durch die Benennung eines obersten Verantwortlichen für Unternehmenssicherheit, oft bezeichnet als Chief Security Officer (CSO) oder Sicherheitsmanager, der direkt an die Geschäftsführung berichtet.
Weiterhin obliegt der Unternehmensleitung die Einrichtung geeigneter Gremien und Reportingstrukturen. Ein übergreifender Sicherheitsausschuss kann eingerichtet werden, in dem Vertreter verschiedener Bereiche (z.B. Facility Management, IT, Personal, Datenschutz, Produktion) regelmäßig zusammenkommen, um Sicherheitsfragen abzustimmen. Dies fördert die bereichsübergreifende Integration, da Unternehmenssicherheit interdisziplinär ist. Auf strategischer Ebene werden auch Richtlinien und Standards erlassen (etwa Konzernrichtlinien zur Zugangskontrolle, Reiserichtlinien hinsichtlich Mitarbeitersicherheit im Ausland, IT-Sicherheitsrichtlinien), die als Vorgaben für alle Untereinheiten dienen. Die Geschäftsleitung muss zudem sicherstellen, dass das Sicherheitsmanagementsystem mit anderen Managementsystemen konsistent ist – beispielsweise indem es in ein Integriertes Managementsystem (IMS) zusammengeführt wird, das Qualität, Umwelt, Arbeitsschutz und Sicherheit gemeinsam adressiert. Regelmäßige Management-Reviews gemäß ISO-Vorgaben (z.B. jährlich) überprüfen auf dieser Ebene die Wirksamkeit des Systems und stoßen Korrekturen oder Weiterentwicklungen an. In Normvorgaben wie ISO 45001 ist explizit festgelegt, dass die oberste Leitung regelmäßige Management-Bewertungen durchführen muss, um die Angemessenheit, Wirksamkeit und fortdauernde Eignung des Arbeitsschutz-Managementsystems sicherzustellen9.
Taktische Ebene (Management und Koordination)
Die mittlere Führungsebene – im industriellen Facility Management typischerweise die Leitung der Sicherheitsabteilung oder des Werkschutzes – ist für die taktische Umsetzung der strategischen Vorgaben verantwortlich. Hier wird die abstrakte Sicherheitspolitik in konkrete Programme und Pläne überführt.
Zu den Aufgaben auf dieser Ebene gehören:
Organisationsstruktur und Rollen: Einrichtung einer schlagkräftigen Sicherheitsorganisation. Dazu zählt die Zuweisung klarer Rollen, z.B. Sicherheitskoordinatoren an einzelnen Standorten, Brandschutzbeauftragte, Gefahrstoffbeauftragte oder IT-Sicherheitsbeauftragte, jeweils mit definierten Pflichten. Die taktische Ebene entwickelt Stellenbeschreibungen und Eskalationswege für Sicherheitsvorfälle.
Risikobewertung und -behandlung: Durchführung detaillierter Gefährdungs- und Risikoanalysen für unterschiedliche Unternehmensbereiche. Auf dieser Basis werden Sicherheitskonzepte und Schutzmaßnahmenpläne für Standorte oder Anlagen erstellt (z.B. Werkschutzkonzept, Zugriffskontrollkonzept, Notfall- und Evakuierungspläne). Prioritäten für Schutzmaßnahmen werden unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit und möglichen Schadenshöhen gesetzt (Risikomatrix).
Integrationsmanagement: Abstimmung mit anderen Managementfunktionen und -systemen. Beispielsweise arbeitet die Sicherheitsmanagement-Funktion eng mit dem Qualitätsmanagement (um gemeinsame Audits oder Dokumentationssysteme zu nutzen) und dem Facility-Management-Leiter (für infrastrukturelle Maßnahmen) zusammen. Ebenso muss eine Verzahnung mit IT- und Datenschutzabteilung stattfinden, um Überschneidungen (z.B. Zugangssysteme, Videoüberwachung) sauber zu regeln. Die Sicherheitsvorgaben werden in betriebliche Prozesse integriert, etwa in die Instandhaltungsprozesse (Sicherheitsprüfungen an Anlagen terminieren) oder Personalprozesse (Screening neuer Mitarbeiter, Schulungsprogramme).
Kommunikation und Reporting: Die taktische Ebene dient als Schnittstelle zwischen operativem Geschehen und Unternehmensleitung. Sie richtet interne Meldeketten ein, durch die sicherheitsrelevante Informationen (z.B. Stör- und Unfälle, Kennzahlen wie Unfallraten, Ergebnisse von Beinahe-Vorfall-Analysen) aus den Betriebseinheiten gesammelt und ausgewertet werden. Regelmäßige Berichte an die Geschäftsführung stellen Transparenz her und ermöglichen ein frühzeitiges Gegensteuern bei negativer Entwicklung von Sicherheitskennzahlen. Gleichzeitig kommuniziert das Management die strategischen Entscheidungen und Sicherheitsstandards an die operativen Einheiten (Top-Down-Kommunikation).
Operative Ebene (Umsetzung vor Ort)
Die operative Ebene umfasst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Dienstleister, die vor Ort die Sicherheitsmaßnahmen tatsächlich durchführen. Hier manifestiert sich das Sicherheitsmanagement im Tagesgeschäft.
Wichtige Elemente sind:
Werkschutz und Objektsicherheit: Das Sicherheitspersonal (internes Werkschutzpersonal oder extern beauftragte Sicherheitsdienste) übernimmt Zutrittskontrollen, Gelände- und Streifengänge, Überwachung von Alarmanlagen und CCTV sowie die Reaktion auf Alarme oder Unregelmäßigkeiten. Sie setzen die an der Basis definierten Protokolle um (z.B. Besuchererfassung, Fahrzeugkontrollen, Schließdienste außerhalb der Arbeitszeiten).
Technischer Betrieb der Sicherheitseinrichtungen: Fachkräfte im Facility Management sorgen dafür, dass sicherheitstechnische Anlagen – Brandmeldeanlagen, Sprinkler, Einbruchmeldeanlagen, Zutrittskontrollsysteme – installiert, regelmäßig gewartet und funktionstüchtig sind. Dies beinhaltet auch das Störungsmanagement: Bei technischen Ausfällen müssen kurzfristig Reparaturen oder Ersatzlösungen (z.B. zusätzlicher Wachdienst bei Kameradefekt) organisiert werden.
Mitarbeiter und Führungskräfte: Alle Beschäftigten tragen operativ zur Sicherheit bei, indem sie die festgelegten Sicherheitsregeln einhalten und Gefahrenhinweise ernst nehmen. Führungskräfte auf Abteilungsebene müssen sicherstellen, dass in ihrem Verantwortungsbereich die Schutzmaßnahmen umgesetzt werden (etwa das Tragen persönlicher Schutzausrüstung, die Sicherung von vertraulichen Unterlagen, Abschließen von Maschinen bei Wartung gemäß LOTO-Verfahren etc.). Zudem fungieren sie oft als erste Ansprechpersonen bei Vorfällen und leiten Meldungen weiter.
Notfall- und Vorfallreaktion: Im Ereignisfall greifen auf operativer Ebene vorbereitete Pläne. Beispielsweise übernimmt ein Evakuierungshelfer-Team bei Feueralarm die Räumung der Gebäude gemäß den eingeübten Evakuierungsplänen; Ersthelfer leisten bei Unfällen Erste Hilfe; ein Incident-Response-Team der IT schaltet sich bei Cyber-Vorfällen ein. Die operativen Akteure müssen hiernach auch an der Aufklärung und Dokumentation des Vorfalls mitwirken.
Schulung und Bewusstsein: Operative Umsetzung bedeutet auch, dass regelmäßige Sicherheitsunterweisungen, Übungen und Trainings absolviert werden. Mitarbeiter nehmen etwa an jährlichen Sicherheitsunterweisungen teil (Pflichtschulungen zu Arbeitssicherheit, Brandschutzübungen, IT-Security-Awareness-Schulungen). Diese Maßnahmen stellen sicher, dass auf operativer Ebene das erforderliche Wissen und Bewusstsein vorhanden ist, um sicherheitsgerecht zu handeln.
Die Wirksamkeit des Sicherheitsmanagementsystems zeigt sich letztlich in der operativen Praxis. Nur wenn auf dieser Ebene alle mitziehen – unterstützt durch klar definierte Prozesse und ausreichende Ressourcen – können die strategischen Ziele tatsächlich erreicht werden. Rückmeldungen und Erfahrungen aus dem operativen Bereich fließen wiederum zurück an das Management (Bottom-up), sodass eine lernende Organisation entsteht, die ihr Sicherheitskonzept kontinuierlich verbessert.
Prozesse und Abläufe
Ein Unternehmenssicherheitsmanagementsystem wird durch eine Reihe von Kernprozessen getragen, die sicherstellen, dass Sicherheitsaspekte systematisch geplant, umgesetzt, überwacht und fortlaufend verbessert werden. Die wichtigsten Prozesse und Abläufe werden im Folgenden erläutert:
Sicherheitsplanung
Am Anfang steht die strategische Sicherheitsplanung. Basierend auf den Vorgaben der Unternehmensleitung erarbeitet die zuständige Sicherheitsorganisation ein Sicherheitskonzept, das alle relevanten Schutzbedarfe des Unternehmens abdeckt. In der Planungsphase werden Schutzziele definiert (z.B. Verhinderung von Unfällen, Schutz vor unbefugtem Zutritt, Schutz vertraulicher Informationen) und daraus abgeleitete Maßnahmenpakete konzipiert. Eine Sicherheitsplanung auf Konzernebene kann etwa Richtlinien vorgeben, welchen Schutzstandard alle Standorte mindestens erfüllen müssen (z.B. umzäuntes Gelände, Wachdienst rund um die Uhr, Zugang nur mit Ausweiskarte, redundante IT-Systeme). Auf Standort- oder Anlagensicht wird diese Planung konkretisiert: es entstehen objektspezifische Sicherheitspläne, die bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen festlegen. Dazu gehören beispielsweise die Platzierung von Überwachungskameras und Alarmmeldern, die Definition von Schutzzonen im Werksgelände, die Festlegung von Schichtstärken für den Werkschutz oder die Planung von Brandschutzübungen. Die Sicherheitsplanung ist ein kontinuierlicher Prozess und muss regelmäßig überprüft und angepasst werden – etwa wenn neue Anlagen in Betrieb gehen, Bedrohungslagen sich ändern (z.B. erhöhte Diebstahlgefahr) oder Organisationsänderungen stattfinden.
Risikomanagement
Risikomanagement ist das Herzstück eines proaktiven Sicherheitsansatzes. Es umfasst die systematische Identifikation, Bewertung und Behandlung von Risiken, die die Sicherheit des Unternehmens gefährden könnten. Zunächst werden alle potenziellen Gefährdungen erfasst – von klassischen Arbeitsschutzgefahren (Maschinen, Gefahrstoffe) über physische Sicherheitsrisiken (Diebstahl, Vandalismus, Spionage, Sabotage) bis hin zu digitalen Bedrohungen (Cyberangriffe, Systemausfälle). Für jede Gefährdung wird eine Risikobewertung durchgeführt, typischerweise durch Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadenausmaßes. Dieses Vorgehen orientiert sich an Normen wie ISO 31000 (Risikomanagement-Grundsätze) oder branchenspezifischen Methoden (im IT-Bereich etwa BSI-Grundschutz oder ISO 27005 für Informationssicherheitsrisiken)10. Die Ergebnisse werden häufig in einer Risiko-Matrix visualisiert, um Prioritäten abzuleiten. Risiken, die als inakzeptabel eingestuft werden, müssen durch geeignete Maßnahmen reduziert werden (Risk Treatment): dies kann präventive Maßnahmen einschließen (z.B. technische Schutzvorkehrungen erhöhen, zusätzliche Schulungen durchführen) oder reaktive Maßnahmen (Notfallpläne vorbereiten, Versicherungen abschließen für Restrisiken). Teil des Risikomanagement-Prozesses ist auch die Dokumentation aller identifizierten Risiken und getroffenen Maßnahmen in einem Risikokataster sowie regelmäßige Reviews: Änderungen im Risikoprofil (z.B. neue Bedrohungen oder veränderte Schwachstellen) werden erfasst und das Maßnahmenportfolio entsprechend angepasst. Ein ausgereiftes Risikomanagement ermöglicht es dem Unternehmen, Ressourcen gezielt dort einzusetzen, wo die größten Risiken bestehen, und schafft Transparenz gegenüber der Leitung, warum bestimmte Sicherheitsinvestitionen notwendig sind.
Vorfallmanagement
Trotz aller Prävention lassen sich Sicherheitsvorfälle nie gänzlich ausschließen. Ein klar definiertes Vorfallmanagement (Incident Management) stellt sicher, dass im Ereignisfall schnell und koordiniert reagiert wird, um Schäden zu minimieren und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Der Prozess beginnt mit der Meldung eines Vorfalls: Unternehmen richten Meldewege ein (z.B. interne Notfallnummern, Alarmierungssysteme), damit Mitarbeiter Störungen, Unfälle oder sicherheitsrelevante Beobachtungen sofort melden können. Es folgt die Erstreaktion: vorab geschulte Personen – etwa das Evakuierungsteam bei Feueralarm, der Information-Security-Officer bei einem Cyberangriff oder der Werksschutz bei einem Einbruch – leiten unmittelbar Gegenmaßnahmen ein (Evakuierung, Systemisolierung, Tätereindämmung in Zusammenarbeit mit der Polizei etc.). Parallel wird das Krisenmanagement aktiviert, falls es sich um gravierende Vorfälle handelt: ein Krisenstab der Unternehmensleitung kann einberufen werden, um strategische Entscheidungen zu treffen (z.B. Information der Angehörigen, Pressekommunikation, Produktionsstopp). Nachdem ein Vorfall eingedämmt ist, schließt der Prozess mit der Untersuchung und Aufarbeitung: Die Ursachen des Vorfalls werden analysiert (Unfalluntersuchungsbericht, forensische IT-Analyse), und es werden Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen abgeleitet, um Wiederholungen zu verhindern. Jeder Sicherheitsvorfall – seien es Arbeitsunfälle, Beinahe-Unfälle (Near Misses), Sicherheitslücken oder kriminelle Handlungen – sollte dokumentiert und ausgewertet werden. Unternehmen nutzen hierzu Vorfalldatenbanken oder Meldeformulare, um aus jedem Ereignis zu lernen. Das Vorfallmanagement ist eng verzahnt mit dem Risikomanagement: identifizierte Schwachstellen aus Vorfällen fließen als Rückkopplung in die Risikobewertung ein, sodass der Managementkreislauf (Plan-Do-Check-Act) geschlossen wird.
Prävention und Schutzmaßnahmen
Der Bereich Prävention umfasst alle laufenden Maßnahmen, die darauf abzielen, Sicherheitsvorfälle gar nicht erst eintreten zu lassen. Prävention ist vielschichtig: technische Prävention umfasst den Einsatz geeigneter Sicherheitsausrüstung und -technologie (z.B. Zugangskontrollsysteme mit Chipkarten oder Biometrie, Einbruchmeldeanlagen, Videoüberwachung mit intelligenter Analytik, Brandmelder und Löschanlagen, Firewall-Systeme in der IT). Organisatorische Prävention beinhaltet Regelungen und Prozesse, z.B. Zutrittsregelungen (Wer darf welche Bereiche betreten?), Sicherheitsstandards für Lieferanten und Besucher, klare Notfallabläufe und Verantwortlichkeiten, geregelte Schließdienste und Schlüsselausgaben, aber auch die Trennung von Aufgaben (im IT-Kontext etwa Vier-Augen-Prinzip bei sensiblen Aktionen). Personelle Prävention schließlich zielt auf den Menschen: Sorgfältige Auswahl und Überprüfung von sicherheitsrelevantem Personal (Zuverlässigkeitsüberprüfungen bei Wachpersonal oder bei Mitarbeitern in kritischen Funktionen), sicherheitsbewusste Unternehmenskultur und Motivation aller Beschäftigten, sich an Sicherheitsregeln zu halten. Prävention ist ein dauerhafter Prozess: Anlagen und Schutzvorrichtungen müssen instand gehalten werden, neue Schutztechnologien evaluiert und implementiert werden, Gefährdungsbeurteilungen regelmäßig aktualisiert und Präventionspläne angepasst werden. Durch ein hohes Präventionsniveau lassen sich die Eintrittswahrscheinlichkeiten vieler Risiken deutlich senken – was letztlich wirtschaftlich ist, da Vorfälle (mit Kosten und Schaden für das Unternehmen) vermieden werden.
Schulung und Sensibilisierung
Schulung der Mitarbeiter und Führungskräfte ist ein zentraler Baustein, um Sicherheitsprozesse mit Leben zu füllen. Nur wenn alle Beteiligten die notwendigen Kenntnisse und ein Bewusstsein (Awareness) für Gefahren haben, können Richtlinien und Maßnahmen effektiv greifen. Daher sollte ein Sicherheitsmanagementsystem ein umfassendes Schulungskonzept umfassen.
Dieses besteht aus verschiedenen Elementen:
Pflichtunterweisungen: Gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsunterweisungen, z.B. jährlich zu Arbeitsschutzthemen gemäß ArbSchG (§ 12 Unterweisung der Beschäftigten)11, Brandschutzunterweisungen, Schulungen für Ersthelfer oder Evakuierungshelfer. Diese werden oft durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder externe Dozenten durchgeführt und dokumentiert.
Spezialschulungen: Training für spezifische Rollen, etwa für Sicherheitsmitarbeiter (Einsatz von Sicherheitstechnik, rechtliche Grundlagen für Eingriffsbefugnisse, Deeskalationstechniken), für IT-Administratoren (Cybersecurity-Schulungen, Umgang mit Sicherheitsvorfällen in IT) oder für Führungskräfte (Krisenmanagement-Simulationen, Sicherheitsbewusstsein in der Personalführung).
Sensibilisierungskampagnen: Maßnahmen, um die allgemeine Aufmerksamkeit für Sicherheit hochzuhalten. Dies können Posteraktionen („Safety Awareness“), regelmäßige Sicherheitshinweise im Intranet, Phishing-Simulationen (um Mitarbeitende für IT-Bedrohungen zu sensibilisieren) oder Sicherheitstage sein, an denen z.B. Feuerwehr- oder Polizeiaktionen im Betrieb stattfinden.
Übungen und Drills: Praktische Übungen wie Evakuierungsübungen, Feuerlöschtraining, Simulation von Notfällen (z.B. jährliche Großübung eines Betriebsunfalls). Solche Übungen stellen sicher, dass im Ernstfall alle wissen, was zu tun ist, und geben dem Management Feedback zu möglichen Lücken in der Planung.
Durch gezielte Aus- und Weiterbildung fördert das Unternehmen eine Sicherheitskultur, in der Sicherheit als gemeinsamer Wert begriffen wird und jeder Mitarbeitende versteht, welchen Beitrag er oder sie zur Vermeidung von Risiken leisten kann. Schulungs- und Awareness-Maßnahmen sollten kontinuierlich evaluiert werden (z.B. Prüfungsergebnisse, Feedbackbögen, beobachtetes Verhalten), um ihre Wirksamkeit zu überprüfen und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.
Audits und kontinuierliche Verbesserung
Um die Leistungsfähigkeit des Sicherheitsmanagementsystems sicherzustellen, sind Audits und regelmäßige Überprüfungen unverzichtbar. Interne Audits werden typischerweise jährlich oder anlassbezogen durchgeführt, um die Einhaltung der definierten Prozesse und Richtlinien vor Ort zu kontrollieren. Geschulte Auditoren (idealerweise unabhängige Personen, z.B. aus einer anderen Abteilung oder externe Berater) prüfen stichprobenartig, ob die Sicherheitsvorgaben umgesetzt sind – etwa ob Zutrittskontrollen ordnungsgemäß erfolgen, ob Dokumentationen (Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungsnachweise) vollständig sind, oder ob technische Anlagenprüfungen fristgerecht stattfanden. Abweichungen und Verbesserungspotenziale werden in Auditberichten dokumentiert. Ergänzend können Zertifizierungsaudits nach den genannten Normen (ISO 9001, 27001, 45001 etc.) stattfinden, falls das Unternehmen sein Sicherheitsmanagement zertifizieren lässt; hierbei begutachtet eine externe Zertifizierungsgesellschaft das System und erteilt ein Zertifikat, falls alle Anforderungen erfüllt sind.
Neben Audits trägt der Mechanismus der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) zur Aktualisierung des Systems bei. Dieser ist inhärenter Bestandteil aller Managementsystem-Normen (Plan-Do-Check-Act). Konkret bedeutet das: Ergebnisse aus Audits, Vorfallanalysen und Feedback der Mitarbeiter fließen in Maßnahmenpläne ein, die darauf abzielen, Schwachstellen zu beheben und das Schutzniveau schrittweise anzuheben. Beispielsweise kann ein Audit ergeben, dass die Notfallbeleuchtung in einigen Bereichen unzureichend ist – dies wird als Maßnahme aufgenommen und bis zum nächsten Review umgesetzt. Die oberste Leitung spielt in der Phase der Verbesserung ebenfalls eine Rolle, indem sie in Management-Reviews (vgl. Abschnitt 3.1) die Performance beurteilt und strategische Impulse für Verbesserungen gibt9. Durch diesen Regelkreis bleibt das Sicherheitsmanagementsystem dynamisch und anpassungsfähig gegenüber Veränderungen, sei es im technischen Bereich, in der Bedrohungslage oder in organisatorischen Rahmenbedingungen.
Ressourcen
Die Einführung und Aufrechterhaltung eines wirksamen Sicherheitsmanagementsystems erfordert den gezielten Einsatz verschiedener Ressourcen. Dazu zählen insbesondere personelle, technische und finanzielle Mittel sowie Investitionen in Kompetenzaufbau.
Im Folgenden werden diese Ressourcentypen und ihre strategische Planung näher beleuchtet:
Personal: Menschen sind die entscheidende Ressource im Sicherheitsmanagement. Ein Unternehmen muss ausreichend qualifiziertes Personal bereitstellen, um Sicherheitsaufgaben auf allen Ebenen wahrzunehmen. Dazu gehört zum einen spezielles Sicherheitspersonal: z.B. Werkschutzmitarbeiter für die Objektsicherung, Sicherheitstechniker für den Betrieb der Anlagen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Brandschutzbeauftragte und IT-Sicherheitsbeauftragte. Diese benötigen eine fundierte Ausbildung (etwa IHK-geprüfte Werkschutzfachkraft oder Studium im Bereich Sicherheitstechnik) und regelmäßige Weiterbildungen. Zum anderen sind aber alle Beschäftigten Teil der Sicherheitsorganisation – jede Führungskraft und jeder Mitarbeitende trägt Verantwortung für die Einhaltung der Sicherheitsregeln. Das Unternehmen muss personelle Verantwortlichkeiten klar regeln (Stellenbeschreibungen, Vertretungsregelungen in Urlaubszeiten) und ggf. externe Dienstleister einbinden. Bei Outsourcing von Sicherheitsdiensten ist sicherzustellen, dass Dienstleister nach definierten Qualitätsstandards (z.B. DIN 77200 zertifiziert) arbeiten und vertraglich zu Schulung und Zuverlässigkeit ihres Personals verpflichtet sind. Strategisch ist die Personalplanung so auszurichten, dass zu jeder Zeit (24/7) genügend geschultes Personal verfügbar ist – inklusive Reserve für Krankheitsfälle oder Spitzenevents – und dass das Personal dem Risiko- und Schutzprofil des Unternehmens entspricht (z.B. höherer Personaleinsatz bei erhöhtem Gefährdungsgrad).
Technologie: Moderne Sicherheitstechnik multipliziert die Wirksamkeit personeller Maßnahmen und ist heute unverzichtbar. Unternehmen müssen in geeignete Sicherheitstechnologien investieren und diese nachhaltig betreiben. Dazu zählen physische Sicherheitssysteme (mechanische Absicherungen wie Zäune, Tore, Sicherheitsschlösser; elektronische Systeme wie Zutrittskontrollanlagen, Alarmanlagen, Videoüberwachungskameras, Drohnendetektionssysteme in sensiblen Bereichen) ebenso wie IT-Systeme (Firewalls, Intrusion-Detection-Systeme, Zugangskontrollsoftware, Leitstellen-Managementsoftware zur Alarmkoordination). Auch Brandschutztechnik (Brandmelder, Rauchabzüge, Feuerlöschanlagen) und Arbeitsschutzausrüstung (Gasdetektoren, Schutzausrüstungen) gehören dazu. Die Ausstattung muss zum Gefährdungsprofil passen – z.B. explosionsgeschützte Geräte in Chemiebetrieben, oder redundant ausgelegte Netzwerkverbindungen für sicherheitskritische Systeme. Die strategische Planung beinhaltet hier einen Lebenszyklusansatz: Auswahl von Technologien nach state-of-the-art (unter Berücksichtigung von Normen wie DIN EN 62676 für Videoüberwachung), regelmäßige Wartung und Nachrüstung, und Ersatzinvestitionen, bevor Systeme obsolet werden oder Sicherheitslücken aufweisen. Zudem sollten technische Systeme möglichst integriert sein (Stichwort: Integrated Security Management), sodass z.B. Alarmanlagen und Videoüberwachung in einer Leitstelle zusammenlaufen und von dort koordiniert gesteuert werden können.
Finanzielle Mittel: Sicherheitsmanagement verursacht Kosten, die im Budget des Unternehmens vorgesehen und priorisiert werden müssen. Dazu zählen Personalkosten (eigene Sicherheitsmitarbeiter, externe Wachdienste), Investitionskosten für Technik, laufende Betriebskosten (Wartung, Lizenzen, Versicherungen) sowie Kosten für Schulungen und Audits. Die Unternehmensleitung muss eine Budgetierung vornehmen, die dem Risikoexposure angemessen ist – typischerweise fließt ein Prozentsatz des Umsatzes oder der Betriebskosten in Sicherheit, je nach Branche unterschiedlich hoch. Ein strategischer Budgetierungsansatz orientiert sich an der Risikobewertung: Höhere Risiken rechtfertigen höhere Ausgaben für Schutz. Gegebenenfalls werden Business Cases für größere Investitionen erstellt, in denen die zu erwartende Schadensvermeidung den Kosten gegenübergestellt wird. Obwohl es schwierig sein kann, den Return on Security Investment (ROSI) exakt zu beziffern, sollte Sicherheit als Investition in die Resilienz und Geschäftskontinuität verstanden werden, nicht nur als Kostenfaktor. Eine sinnvolle finanzielle Planung umfasst auch die Bereitstellung von Rücklagen für unvorhergesehene Ereignisse und die Nutzung von Versicherungen als Instrument der finanziellen Risikovorsorge (z.B. Betriebsunterbrechungsversicherung, Haftpflichtversicherung für Sicherheitsvorfälle).
Schulung und Kompetenzentwicklung: Die besten Prozesse und Technologien nützen wenig, wenn die handelnden Personen nicht ausreichend kompetent sind. Daher müssen Ressourcen in die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter investiert werden. Dies wurde bereits in Abschnitt 4.5 behandelt – wesentlich ist, dass Schulungen nicht als einmalige Aktionen, sondern als langfristige Investition in die Organisationsentwicklung gesehen werden. Dazu gehört die Entwicklung interner Trainingsprogramme, die Erarbeitung von Schulungsmaterial (idealerweise digital verfügbar, z.B. E-Learning-Module zur Sicherheitsunterweisung) und das Etablieren von Trainingszyklen (z.B. jährliche Auffrischungen, spezielle Trainings bei Einführung neuer Technologien oder nach sicherheitsrelevanten Zwischenfällen). Führungskräfte sollten in Safety Leadership ausgebildet werden, damit Sicherheit in der Unternehmenskultur vorgelebt wird. Auch der Austausch von Best Practices durch Teilnahme an Fachkonferenzen (z.B. Sicherheitskongresse, GEFMA- oder VDI-Veranstaltungen) oder in Verbänden ist Teil der Kompetenzpflege. Die strategische Planung dieser „Soft“-Ressource bedeutet, ein mehrjähriges Schulungskonzept zu entwickeln, das die Qualifikationsbedarfe aller Zielgruppen (vom Top-Management bis zum Werkstudenten) abdeckt und regelmäßig aktualisiert.
Planung und Steuerung: Ressourcenmanagement selbst ist ein Prozess auf strategischer Ebene. Das Unternehmen sollte einen Ressourcenplan für die Sicherheit aufstellen, der mit der Gesamtstrategie abgestimmt ist. Darin wird festgelegt, welche Ressourcen in welchem Umfang für die nächsten Jahre benötigt werden (z.B. Personalaufbauplanung für einen neuen Werkstandort, Investitionsplan für sicherheitstechnische Aufrüstung, Budgetprognosen). Die Steuerung erfolgt über Kennzahlen: etwa Personalkennzahlen (Sicherheitskräfte pro 1000 Mitarbeiter), technische Kennzahlen (Anzahl der Kameras pro Fläche, Fehlalarmquote) oder finanzielle Kennzahlen (Sicherheitsbudgetanteil, Schadenskostenquote). Im Rahmen der Management-Bewertung (siehe Kapitel 3) wird geprüft, ob die Ressourcen ausreichen und effizient eingesetzt werden. Falls nicht, muss nachgesteuert werden – sei es durch Aufstockung des Budgets, Einstellung zusätzlichen Fachpersonals oder Effizienzsteigerung durch neue Technologien. Langfristig sollte die Ressourcenplanung auch Zukunftstrends antizipieren (siehe Kapitel 7) – etwa ob durch Digitalisierung bestimmte manuelle Tätigkeiten abnehmen (und dafür IT-Kompetenzen wichtiger werden) oder ob neue Bedrohungen zusätzliche Investitionen erfordern.
In Summe gewährleistet nur der ausgewogene Einsatz all dieser Ressourcen, dass das Sicherheitsmanagementsystem nicht nur auf dem Papier existiert, sondern in der Praxis funktionsfähig ist. Dabei ist die strategische Ressourcensteuerung entscheidend: Ressourcen müssen dort eingesetzt werden, wo sie den größten Sicherheitsgewinn bringen, und sie müssen flexibel angepasst werden, wenn sich Rahmenbedingungen ändern.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Die Unternehmenssicherheit steht im Zuge gesellschaftlicher, technologischer und wirtschaftlicher Veränderungen vor neuen Herausforderungen. Zugleich eröffnen sich Chancen, das Sicherheitsmanagement weiterzuentwickeln.
Einige zentrale Zukunftsthemen sind:
Digitalisierung und Security 4.0: Die fortschreitende digitale Transformation der Industrie – oft unter dem Schlagwort Industrie 4.0 – verändert auch das Sicherheitsmanagement. Einerseits entstehen neue Gefährdungen: Durch die Vernetzung von Produktionsanlagen (IoT, Industrial Internet of Things) steigt die Angriffsfläche für Cyber-Angriffe auf bisher isolierte Bereiche (Operational Technology). Die Konvergenz von IT und OT erfordert ein integriertes Sicherheitskonzept, das klassische Perimetersicherheit mit Cybersecurity vereint. Andererseits bietet Digitalisierung neue Werkzeuge: Künstliche Intelligenz und Big-Data-Analysen ermöglichen beispielsweise vorausschauende Erkennung von Anomalien (Predictive Security). Moderne Zugangssysteme nutzen biometrische Verfahren und KI-gestützte Videoanalyse kann verdächtiges Verhalten automatisch melden. Zudem gewinnen digitale Plattformen für das Sicherheitsmanagement an Bedeutung – etwa Computer Aided Facility Management (CAFM)-Systeme mit Sicherheitsmodulen, die Wartungspläne für Sicherheitstechnik verwalten, oder mobile Apps, über die Mitarbeiter Gefahren melden können. Eine Herausforderung bleibt die Integration dieser Technologien in bestehende Strukturen und die Schulung des Personals für deren Nutzung. Unternehmen müssen außerdem mit der rasanten Entwicklung Schritt halten: Regelmäßige Updates und Investitionen sind nötig, um state-of-the-art-Schutz zu gewährleisten, was insbesondere für mittelständische Betriebe auch eine Ressourcenfrage ist.
Nachhaltigkeit und Green Security: Nachhaltigkeit wird zunehmend zu einem Leitbild auch im Facility Management und hat Überschneidungen mit der Sicherheit. Soziale Nachhaltigkeit umfasst z.B. die Fürsorgepflicht des Unternehmens für das Wohl der Mitarbeiter – ein Aspekt, der durch Arbeitssicherheit und Gesundheitsmanagement adressiert wird. Ein sicheres Arbeitsumfeld ist Teil der Mitarbeiterzufriedenheit und -gesundheit, also indirekt auch ein Nachhaltigkeitsziel. Ökologische Nachhaltigkeit spielt insofern hinein, als Unfälle oder Sicherheitsvorfälle Umweltkatastrophen auslösen können (man denke an Chemieunfälle mit Gewässerverunreinigung). Präventiver Umweltschutz und Anlagensicherheit gehen hier Hand in Hand. Zukunftsorientierte Unternehmen achten darauf, dass Sicherheitsmaßnahmen auch umweltverträglich sind: z.B. Einsatz energieeffizienter Beleuchtung für Sicherheitsbeleuchtung, Vermeidung umweltgefährlicher Wachschutz-Fahrzeuge durch Umstieg auf E-Mobilität, Recycling von ausgemusterter Sicherheitstechnik. Zudem gewinnt der Aspekt der nachhaltigen Lieferkette an Bedeutung: Unternehmen prüfen zunehmend auch die Sicherheitsstandards ihrer Lieferanten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (Menschenrechtsthemen, Schutz vor Vandalismus in instabilen Regionen, etc.). Die Verzahnung von Sicherheits- und Nachhaltigkeitsmanagement steckt zwar noch in den Anfängen, dürfte in Zukunft aber an Bedeutung gewinnen, weil Investoren, Behörden und Öffentlichkeit ein ganzheitlich verantwortungsvolles Management einfordern.
Resilienz und ganzheitliches Risikomanagement: Die Fähigkeit einer Organisation, resilient zu sein – also Störungen zu überstehen und sich anzupassen – rückt ins Zentrum moderner Sicherheitsüberlegungen. Klassisches Sicherheitsmanagement zielte oft darauf ab, Vorfälle zu verhindern; der Resilienzgedanke erweitert den Fokus darauf, mit unvermeidbaren Vorfällen umzugehen und schnell wieder handlungsfähig zu werden. Die COVID-19-Pandemie hat vielen Unternehmen deutlich gemacht, dass Krisen unerwarteter Art (hier ein globaler Gesundheitsnotstand) erhebliche Auswirkungen auf alle Unternehmensbereiche haben können. In der Folge investieren Unternehmen vermehrt in Business Continuity Management (BCM) und Krisenmanagementstrukturen. Normen wie ISO 22301 (betriebliches Kontinuitätsmanagement) oder ISO 22316 (Organisatorische Resilienz) bieten Rahmenwerke, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Ein zukunftsfähiges Unternehmenssicherheitsmanagement wird sich daher breiter aufstellen: nicht nur klassische Sicherheitsrisiken, sondern auch Lieferkettenausfälle, Pandemien, politische Unruhen und Naturkatastrophen werden im unternehmensweiten Risikomanagement mitbedacht. Dies bedingt eine noch engere Kooperation verschiedener Fachdisziplinen (Security, IT, Facility, Risiko- und Krisenmanagement, Unternehmensplanung). Die Herausforderung besteht darin, starre Silos aufzubrechen und Sicherheit als Querschnittsfunktion zu etablieren, die zur strategischen Enterprise Risk Management-Perspektive beiträgt. Langfristig könnten Unternehmen einen Chief Risk Officer (CRO) oder Chief Resilience Officer etablieren, der alle Schutz- und Sicherheitsfunktionen bündelt – ein Trend, der sich in ersten Ansätzen bereits abzeichnet.
Es wird deutlich, dass Unternehmenssicherheit ein dynamisches Feld ist, das sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen muss. Die Zukunft erfordert innovative Ansätze, um Sicherheit effektiv, nachhaltig und resilient zu gestalten. Dabei gilt es, die Möglichkeiten der Digitalisierung verantwortungsvoll zu nutzen, Nachhaltigkeit und Sicherheit als gemeinsame Ziele zu verfolgen und die Organisation so aufzustellen, dass sie auch unerwarteten Krisen gewachsen ist. Ein modernes Unternehmenssicherheitsmanagementsystem im Facility Management der Industrie wird somit immer mehr zu einem integrierten Schutz- und Managementsystem, das sowohl traditionelle Sicherheitsaufgaben als auch neue Herausforderungen unter einem ganzheitlichen Anspruch vereint.
