Historische Entwicklung der Unternehmenssicherheit
Facility Management: Security » Sicherheit » Grundlagen » Historische Entwicklung
Die historische Entwicklung der Unternehmenssicherheit
Die Unternehmenssicherheit umfasst alle Vorkehrungen eines Unternehmens, um seine Beschäftigten, Werte und Informationen vor Schäden und Bedrohungen zu schützen. Historisch betrachtet unterliegt dieses Handlungsfeld einem erheblichen Wandel: Vom paternalistischen Schutz in der frühen Industrialisierung über militärisch geprägte Werkschutz-Einheiten im 20. Jahrhundert bis hin zum heutigen ganzheitlichen Sicherheitsmanagement mit Cyber-Sicherheit und internationalen Standards.
Im 19. Jahrhundert lagen die Anfänge in paternalistischen Werksinitiativen und ersten Wachinstituten – Sicherheit war Privatsache der Industriellen und besser Gestellten. Mit der staatlichen Sozialgesetzgebung ab 1880 kam der Aspekt Arbeitsschutz hinzu, allerdings mehr aus sozialpolitischer denn sicherheitsstrategischer Motivation. Die beiden Weltkriege instrumentalisierten die Unternehmenssicherheit jeweils radikal: Im Ersten Weltkrieg als Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Schutz der Produktion, in der NS-Zeit als repressives Instrument, vollständig vom Staat durchdrungen.
Die Bundesrepublik führte nach 1945 einerseits demokratische Kontrolle ein (Regulierung des Gewerbes, Mitbestimmung beim Arbeitsschutz), andererseits ermöglichte die Marktwirtschaft einen Boom privater Sicherheitsdienste. Besonders seit den 1970ern passten sich Unternehmen an neue Bedrohungen – vom Terrorismus bis zum Cyberwar – an, indem sie Security-Management professionalisierten und in die Unternehmensstrategie integrierten. Heute bewegt sich die Unternehmenssicherheit in einem Spannungsfeld: Globalisierung bringt grenzüberschreitende Risiken (Pandemien, Lieferkettensabotage, internationaler Extremismus), Digitalisierung schafft neue Angriffsflächen, und zugleich wachsen die Erwartungen von Staat, Kunden und Mitarbeitern an das Sicherheitsniveau (man denke an Zertifizierungen, Compliance-Vorgaben oder Fürsorgepflichten des Arbeitgebers). Die Antwort darauf sind integrierte Sicherheitskonzepte, die alle Bereiche – von physischer Sicherheit über IT bis zu Personal und Notfallmanagement – umfassen.
Die historische Betrachtung verdeutlicht, dass Sicherheit kein Zustand, sondern ein Prozess ist, der sich permanent an wandelnde Umstände anpasst. Die Fähigkeit von Unternehmen, auf neue Gefahren ebenso wie auf neue Möglichkeiten flexibel zu reagieren, entscheidet mit über ihre Überlebensfähigkeit. So wie die industrielle Revolution einst Wachschutz und Arbeitsschutz hervorrief, so erfordert die digitale Revolution Cybersecurity und KI-basierte Überwachung. Dennoch bleiben bestimmte Konstanten: der Schutz von Leib, Leben und Eigentum als Kernaufgabe und der Mensch als zentraler Faktor – ob als potentieller Verursacher von Sicherheitsvorfällen oder als wichtigstes Element zu ihrer Verhinderung (denn trotz aller Technik: ein wachsamer, gut ausgebildeter Sicherheitsmitarbeiter oder ein sicherheitsbewusster Angestellter sind oft die beste Verteidigung).
Historische Entwicklung der Unternehmenssicherheit – Meilensteine, Strukturen und Einflussfaktoren
- Sicherheitsanfänge
- Sicherheitsdienste
- Zwischenkriegszeit
- Nationalsozialismus
- Neubeginn
- Wiedervereinigung und Globalisierung
- Meilensteine
Sicherheitsanfänge in der Industrialisierung (19. Jahrhundert)
Die Wurzeln der betrieblichen Sicherheit in Deutschland reichen zurück bis in die frühe Industrialisierung. Im 19. Jahrhundert transformierte die industrielle Revolution Arbeitswelt und Gesellschaft grundlegend. Anfangs gab es kaum staatliche Vorgaben zum Schutz von Betrieb, Eigentum oder Arbeitskräften – die Arbeitsbedingungen waren oft katastrophal, und Arbeiter waren gegen Unfälle praktisch ungeschützt. Zugleich führten technische Errungenschaften wie Dampfmaschinen, Eisenbahnen und Fabriksysteme zu neuen Risiken: Explosionen, Brände und industrielle Unfälle waren an der Tagesordnung.
Frühformen der Unternehmenssicherheit entstanden zunächst aus praktischer Notwendigkeit und privater Initiative. Fabrikbesitzer engagierten Nachtwächter, Torwächter und Wachpersonal, um Anlagen vor Diebstahl oder Sabotage zu bewahren – oft waren dies Veteranen oder ehemaliges Militärpersonal, die für Disziplin und Durchsetzungsfähigkeit standen. So etablierte z. B. der Industrielle Alfred Krupp in seinem Gussstahlwerk Essen bereits in den 1850er-1860er Jahren ein strenges internes Überwachungssystem, um Betriebsgeheimnisse zu schützen und Spionage abzuwehren. Krupp ließ alle Mitarbeiter einen Treueeid schwören und verfolgte Verdächtige mit aller Konsequenz. 1872 kodifizierte er eigene Sicherheitsvorschriften für sein Werk – ein Novum in der deutschen Industrie. Als „Erfinder des deutschen Werkschutzes“ forderte Krupp: „Alle Arbeiter müssen ständig von energischen und erfahrenen Männern überwacht werden.“ Dieses private Werkschutz-Konzept machte Schule: Andere Großbetriebe ahmten Krupps Modell nach und stellten gleichfalls militärisch gedrillte Wachleute in Uniform ein. Damit entstand lange vor staatlicher Regulierung ein unternehmerisches Sicherheitsverständnis, das stark von Militärmentalität und Loyalität geprägt war.
Parallel entwickelten sich die ersten betrieblichen Feuerwehren. Insbesondere in Großbetrieben mit hoher Brandgefahr (z. B. Montanindustrie, Chemiewerke) wurden bereits im späten 19. Jahrhundert Werksfeuerwehren aufgestellt. Sie sollten schnelle Löschhilfe leisten, da kommunale Feuerwehren oft zu weit entfernt oder schlecht ausgerüstet waren. Diese Werksfeuerwehren bestanden meist aus werkseigenen Arbeitern, die für den Feuerlöschdienst ausgebildet und mit unternehmenseigenen Geräten ausgestattet wurden. Ein frühes Beispiel ist die 1866 gegründete Werksfeuerwehr der Hoechst-Farbenfabrik in Frankfurt. Solche Einrichtungen zeigten, dass Unternehmenssicherheit in der Industrialisierung nicht nur den Schutz vor Diebstahl und Spionage, sondern auch den technischen Arbeitsschutz (Brandschutz, Unfallverhütung) umfasste.
Obwohl anfänglich rein freiwillig, entstanden allmählich auch rechtliche Grundlagen für betriebliche Sicherheit. Ein erster wichtiger Schritt war das preußische Regulativ von 1839, das Kinderarbeit unter 9 Jahren verbot und die Arbeitszeit Jugendlicher beschränkte – indirekt ein Beitrag zur Arbeitssicherheit. Mit Bismarcks Sozialgesetzgebung folgten 1883 die gesetzliche Krankenversicherung und 1884 das Unfallversicherungsgesetz, das die Haftung der Unternehmer kollektivierte und Berufsgenossenschaften schuf. Die Berufsgenossenschaften führten fortan Unfallverhütungsvorschriften ein und kontrollierten Sicherheitsstandards in den Betrieben. Zudem wurde 1872 ein Dampfkessel-Überwachungsverein gegründet – ein Vorläufer des TÜV – um gefährliche technische Anlagen regelmäßig zu prüfen. Gegen Ende des 19. Jh. verstärkte die staatliche Gewerbeaufsicht ihren Einfluss: 1891 erließ der Staat Regelungen zum Verbot von Nachtarbeit für Jugendliche und zur Begrenzung der Arbeitszeit von Frauen, deren Einhaltung durch Inspektoren überwacht wurde. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Grundlagen für betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz bereits im Kaiserreich gelegt wurden, jedoch primär zum Schutz der Arbeiter vor Ausbeutung – der Schutz des Unternehmens vor externen Gefahren blieb zunächst Privatsache.
Es war die Epoche der Hochindustrialisierung (spätes 19. Jahrhundert) durch ein nebeneinander von privatem Werkschutz und ersten arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben gekennzeichnet. Unternehmer wie Krupp institutionalisierten eigene Sicherheitskräfte und Geheimschutz, während der Staat minimale Sozialstandards setzte, um Extremfälle von Gefährdung einzudämmen. Ein umfassendes Sicherheitsmanagement im heutigen Sinne existierte noch nicht – doch die Saat war gelegt: Der Wert von Sicherheit für reibungslose Produktion und Know-how-Schutz wurde den Verantwortlichen zunehmend bewusst.
Aufstieg privater Sicherheitsdienste im Kaiserreich (1871–1914)
Nach der Reichsgründung 1871 erlebte Deutschland eine Phase rasanter wirtschaftlicher Expansion (Gründerzeit, Hochindustrialisierung). Mit der wachsenden städtischen Bevölkerung und dem Wohlstand des Bürgertums stieg auch das Bedürfnis nach Schutz von Hab und Gut. Staatliche Polizeikräfte waren damals personell begrenzt und primär für öffentliche Ordnung zuständig, während der altgediente Nachtwächter mit Laterne den Ansprüchen einer modernen Gesellschaft nicht mehr genügte. Diese Lücke begünstigte die Entstehung eines gewerblichen Sicherheitsmarktes: Private Unternehmer erkannten, dass Sicherheit auch kommerziell angeboten werden konnte.
Ein Schlüsselfaktor war das Polizeikostengesetz von 1892, durch das das traditionelle städtische Nachtwächterwesen neu organisiert wurde. Der Staat zog sich aus dem Hausschließ- und Bewachungsdienst zurück – fortan mussten Bürger und Unternehmen selbst für die nächtliche Sicherung ihrer Gebäude sorgen. Im wohlhabenden Bürgertum entstand so eine Nachfrage nach individuellem Schutzpersonal. Diese Entwicklung kulminierte in der Gründung der ersten modernen privaten Sicherheitsfirmen: 1901 wurde in Hannover das Hannoversche Wach- und Schließinstitut gegründet, wenig später ähnliche Firmen in Köln, Frankfurt und anderen Städten. 1904 schlossen sich einige dieser Pioniere zum Kölner Verband zusammen, was über 20 Unternehmen mit über 2000 Wachleuten umfasste. Damit war in Deutschland der Berufszweig der Wach- und Schließgesellschaften geboren.
Diese frühen privaten Wachdienste orientierten sich stark am Militär, um Seriosität und Autorität zu demonstrieren. Die Gründer – häufig ehemalige Offiziere der Armee oder Polizei – kleideten ihr Personal in prächtige Uniformen mit Rangabzeichen und exerzierten es im öffentlichen Raum. Abb. 1 zeigt beispielhaft eine solche Wächterparade in Hannover um 1905, bei der private Wachleute wie Soldaten aufmarschierten. Ihre Präsenz war so täuschend, dass Passanten die kommerziellen Wächter gelegentlich für echte Militärs hielten und grüßten. Diese Militarisierung der Sicherheitsdienste war bewusstes Marketing: Man wollte das Vertrauen von Bürgern und Unternehmen gewinnen, die damals noch skeptisch auf diese „Privatpolizei“ blickten. Durch Disziplin, scharfe Auftritte und bevorzugte Einstellung von ehemaligen Soldaten versuchten die Firmen sich von dem Image des alten, unzuverlässigen Nachtwächters abzugrenzen und zahlungskräftige Kunden zu überzeugen.
Auch in den Industriebetrieben professionalisierte sich der Werkschutz in dieser Zeit. Neben den städtischen Wachdiensten richteten immer mehr Großunternehmen eigene Werkschutz-Abteilungen ein oder erweiterten sie. Der Krupp-Konzern etwa hatte seit den 1870ern seinen Werkschutz kontinuierlich ausgebaut. Andere Schwerindustrielle folgten: Im Bergbau und in Hüttenwerken entstanden uniformierte Werkspolizeien, die Fabriktore kontrollierten, Fabrikgelände patrouillierten und im Streikfall als Ordnungsfaktor dienen konnten. Diese betrieblichen Sicherheitskräfte waren oft ebenfalls mit Hoheitszeichen ausgestattet (z. B. speziellen Abzeichen), was teils zu Konflikten mit den kommunalen Behörden führte. So monierten einige Polizeipräsidenten, private Wachmänner dürften nicht den Anschein staatlicher Organe erwecken. Dennoch duldete und nutzte der Staat diese privatrechtlichen Helfer zunehmend – etwa zum Objektschutz für Infrastrukturen oder staatliche Einrichtungen, was während der Kaiserzeit vorkam.
Rechtliche Rahmensetzung bis 1914
Rechtlich war das Wach- und Sicherheitsgewerbe um 1900 noch kaum reguliert. Das bürgerliche Gewerberecht garantierte seit der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 grundsätzlich Gewerbefreiheit – auch für Wach- und Detektei-Tätigkeiten. Allerdings galten die allgemeinen Polizeigesetze weiter, und lokale Behörden konnten Auflagen machen. Die erste spezifische Regelung erließ erst die preußische Regierung 1900 in Form von polizeilichen Ausführungsbestimmungen, welche die Zuverlässigkeit von Wachleuten betonten. Eine umfassende reichsweite Norm kam jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg (1927, siehe unten). Bis dahin stützten sich Behörden auf Allgemeinverfügungen: So wurde von Bewerbern für ein Wachgewerbe eine einwandfreie Gesinnung und meist der Militärdienstnachweis verlangt (informelle Kriterien). Um 1910 begann eine Diskussion, ob es einer strengeren Kontrolle dieser „Wachgewerbe“ bedürfe, doch der Kriegsausbruch 1914 unterbrach diese Reformbestrebungen.
Im Arbeitsschutz wurden kurz vor Kriegsausbruch ebenfalls Fortschritte erzielt. 1911 war das Reichsversicherungsamt gegründet worden, das auch Aufsicht über die Berufsgenossenschaften führte. 1913 trat ein Arbeiterschutzgesetz in Kraft, das u. a. den Mutterschutz regelte. Insgesamt war der betriebliche Unfallschutz durch die Berufsgenossenschaften bis 1914 moderat verbessert worden. Die Unternehmen standen diesen Vorgaben mal ablehnend, mal positiv gegenüber – Kaiser Wilhelm II. etwa war ein Befürworter des Arbeitsschutzes, während Industrielle wie Bismarck (als Unternehmer) skeptisch blieben. Sicherheit im Betrieb blieb aber oft Nebensache, solange wirtschaftliche Überlegungen dagegenstanden.
Technologisch befand sich die Sicherheit um 1914 noch in einer mechanischen Phase. Der Stand der Technik umfasste robuste Tresore, Chubbsche Schlösser, Gitter und Mauern sowie mechanische Wächterkontrolluhren (Patrouillenuhren), mit denen die Runden der Nachtwächter dokumentiert werden konnten. Erste Einbruchmeldeanlagen wurden ab den 1850er Jahren erfunden (in den USA 1853 patentierte Augustus Pope eine elektromagnetische Alarmanlage). In Deutschland etablierten sich elektrische Alarmanlagen jedoch erst zögerlich kurz vor dem Krieg, vor allem in Banken und Juweliergeschäften. Telefone und Telegrafen ermöglichten immerhin raschere Alarmierung der Polizei. Die Beleuchtungstechnik (Gaslicht, später elektrisches Licht) verbesserte die nächtliche Sicherheit. Fotografie kam in Form von Mitarbeiterausweisen und ersten einfachen Zugangskontrollen zum Einsatz. All dies steckte aber noch in den Kinderschuhen und war keineswegs flächendeckend.
Es erlebte das Kaiserreich bis 1914 die Geburt einer professionellen privaten Sicherheitsbranche und den Ausbau innerbetrieblicher Sicherheitsorganisationen, jedoch mit minimaler staatlicher Steuerung. Sicherheit war vielfach noch ein Luxusgut – Unternehmen investierten darin primär, wenn es um den Schutz wertvoller Güter oder Geheimnisse ging, während der Arbeitnehmerschutz erst durch Sozialgesetze erzwungen werden musste. Die Bühne war bereitet für das 20. Jahrhundert, in dem extreme politische Lagen und technologische Revolutionen der Unternehmenssicherheit neue Aufgaben stellen sollten.
Umbruch und Regulierung in der Zwischenkriegszeit (1914–1933)
Der Erste Weltkrieg (1914–1918) stellte die Unternehmenssicherheit vor ungeahnte Herausforderungen. Viele Wachleute und Werkschutzmitarbeiter wurden zum Militär eingezogen, was private Sicherheitsfirmen und Fabriken personell schwächte. Gleichzeitig stieg der Schutzbedarf: Sabotageakte feindlicher Agenten gegen Rüstungsbetriebe wurden gefürchtet, Plünderungen und Unruhen im Hinterland nahmen zu, und Rohstoffknappheit führte zu Diebstahl und Schwarzmärkten. In dieser Lage griff der Staat auf die privaten Wachunternehmen zurück: Diese bewachten nun im Auftrag der Behörden sensible Objekte wie Rüstungsfabriken, Häfen, Depots und Bahnanlagen. Die enge Kooperation von Militär und privaten Wachdiensten zeigte sich z. B. darin, dass ab 1916 Frauen als Wachpersonal eingesetzt wurden – das Berliner Wach- und Schließinstitut stellte mangels Männern zwanzig Frauen mit Hunden und Trillerpfeifen für nächtliche Patrouillen ein. Dies illustriert die Improvisation in Kriegszeiten: Selbst unkonventionelle Mittel wurden ergriffen, um den Sicherheitsnotstand zu beheben.
Betriebliche Werkschutzeinheiten wurden im Krieg teils paramilitärisch aufgerüstet. In vielen größeren Rüstungsbetrieben richtete die Oberste Heeresleitung sogenannte Werkschutzkompanien ein, die aus kriegsdienstuntauglichen Männern oder zurückgestellten Arbeitern bestanden. Diese Werkschutzkräfte sollten Sabotage verhindern und die Disziplin der Arbeiter – darunter Millionen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen – aufrechterhalten. Gegen Kriegsende 1918 verselbständigten sich manche dieser Einheiten: In den revolutionären Unruhen des November 1918 versuchten in Berlin einige Industrielle, die Kontrolle über private Wachdienste zu erlangen, um ihre Betriebe gegen Plünderungen und Rätekämpfe abzusichern. So gab es Vorfälle, in denen Fabrikbesitzer „ihre“ Werkschutzleute in Bereitschaft hielten, um Ordnung auf dem Werksgelände zu garantieren, während die staatlichen Strukturen kollabierten. In der chaotischen Revolutionszeit 1918/19 spielten auch Freikorps und private Sicherheitsformationen eine Rolle beim Schutz von Industrieanlagen vor kommunistischen Arbeiterwehren. Zwar wurden Pläne diskutiert, aus zurückgekehrten Soldaten eine neue Republik-Sicherheitsmiliz zu formen (eine Art privat-öffentliche Schutztruppe für die Weimarer Republik), jedoch blieb dies Episode – letztlich setzten die neuen republikanischen Behörden auf reguläre Polizei und Militär.
Mit der Gründung der Weimarer Republik 1919 normalisierte sich die Lage. Die Anfangsjahre waren dennoch geprägt von politischer Instabilität (Putschversuche, Aufstände) und wirtschaftlicher Not (Inflation). Dies wirkte sich zweifach auf die Unternehmenssicherheit aus: Zum einen mussten Betriebe ihre Sicherheit gegen innere Unruhen erhöhen – etwa durch Zugangskontrollen, da Plünderungen in der Inflation 1923 häufig vorkamen. Zum anderen drängte nun der demokratische Rechtsstaat auf Kontrolle und Regulierung der privaten Sicherheitsakteure, um deren Wildwuchs zu bändigen und rechtsstaatliche Maßstäbe zu sichern.
Ein Meilenstein war die Reichsgewerbeordnungsnovelle vom 7. Februar 1927, durch die erstmals spezielle Regelungen für das Bewachungsgewerbe galten. Von nun an war die gewerbsmäßige Bewachung erlaubnispflichtig; d. h. wer ein Wach- oder Sicherheitsunternehmen betreiben wollte, benötigte eine behördliche Erlaubnis und musste Zuverlässigkeit sowie geordnete Vermögensverhältnisse nachweisen. Zudem wurden die Landesregierungen ermächtigt, Berufszugangsregeln zu erlassen. Damit reagierte der Gesetzgeber auf das über 25-jährige Bestehen und Wachstum der Branche, verbunden mit dem Bedürfnis, staatliche Aufsicht auszuüben. Die praktische Umsetzung differierte je nach Region; oft blieben viele unseriöse „schwarze Schafe“ dennoch aktiv. Doch grundsätzlich markiert 1927 die Geburtsstunde eines regulierten privaten Sicherheitsgewerbes in Deutschland.
Ergänzend erließ die Regierung 1931 eine Verordnung über Schusswaffen im Wachdienst, um den ungezügelten Waffenbesitz privater Wachleute einzudämmen – ein Indiz, dass in den turbulenten 20er Jahren manche Sicherheitsfirmen paramilitärische Züge trugen.
Auch innerbetriebliche Sicherheit erhielt in der Weimarer Republik neue Impulse. 1920 wurde das Betriebsrätegesetz verabschiedet, welches die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb regelte. Betriebsräte waren fortan berechtigt, darauf zu achten, dass die Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden. Dies wurde im Betriebsverfassungsgesetz 1920 und später 1952 bestätigt (§89 BetrVG). Erstmals bekamen Beschäftigte also ein Mitspracherecht bei Sicherheits- und Gesundheitsfragen im Betrieb. Viele Großunternehmen richteten in den 1920er Jahren Sicherheitsausschüsse ein, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vertretern über Unfallverhütung und Arbeitsschutzmaßnahmen berieten. Zudem entstanden neue Berufsbilder: Der Sicherheitsingenieur und der Unfallvertrauensmann (vergleichbar dem heutigen Sicherheitsbeauftragten) wurden eingeführt, um professionell für Arbeitssicherheit zu sorgen. Die Verankerung solcher Rollen – oft initiiert durch die Berufsgenossenschaften – trug dazu bei, dass Arbeitsschutz als Teil der Unternehmenssicherheit mehr Gewicht bekam.
Allerdings blieben die Fortschritte im Arbeitsschutz angesichts der Wirtschaftskrise ab 1929 beschränkt. In vielen Betrieben dominierte der Überlebenskampf; Investitionen in Sicherheit wurden gekürzt. Gleichwohl war die Idee, dass Unfallverhütung und Arbeiterschutz betriebswirtschaftlich sinnvoll sind (weniger Ausfall, höhere Moral), zunehmend anerkannt.
Technologisch hielten in den 1920ern erste elektromechanische Sicherheitsgeräte Einzug: Alarmanlagen mit Telefonaufschaltung zum nächsten Polizeiposten wurden in einigen Banken installiert. Zeitschlösser für Tresore und Sicherheitsbeleuchtung (Notstromlampen) kamen auf. Die Kriminaltechnik entwickelte neue Methoden – Fingerabdrücke und Fotografie wurden systematisch genutzt, was auch die Unternehmenssicherheit beeinflusste (z. B. Personalausweise mit Foto). Insgesamt war aber die Sicherheitstechnik in Betrieben noch rudimentär. Der Schwerpunkt lag auf personeller Bewachung.
Es war die Zwischenkriegszeit eine Ära der Konsolidierung und Normierung: Private Sicherheitsdienste wurden staatlich erfasst und geregelt, betriebliche Sicherheit bekam durch Mitbestimmung und Fachkräfte professionellere Strukturen. Gleichzeitig blieben Unternehmen mit knappen Ressourcen konfrontiert, sodass Sicherheitsausgaben oft nachrangig waren – ein Zustand, der sich unter dem kommenden Regime dramatisch verändern sollte.
Umbruch und Regulierung in der Zwischenkriegszeit (1914–1933)
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 änderten sich die Rahmenbedingungen der Unternehmenssicherheit fundamental. Das NS-Regime zielte darauf ab, alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens zu durchdringen und zu kontrollieren – dies schloss auch die Betriebssicherheit und privaten Wachdienste ein.
Zunächst wurde die Arbeitnehmerschaft gleichgeschaltet: Die Deutschen Arbeitsfront (DAF) ersetzte am 2. Mai 1933 die freien Gewerkschaften. Die DAF propagierte zwar „mehr Sicherheit am Arbeitsplatz“ und betriebliche Sozialpolitik, tatsächlich dienten diese Maßnahmen aber vor allem der Disziplinierung und Leistungssteigerung der Belegschaften. Betriebliche Unfallverhütung passte ins Konzept der NS-Propaganda (gesunde, leistungsfähige Volksgemeinschaft). So wurde 1936 die „Ordnung über sicherheitstechnischen Dienst“ erlassen, welche jeden Betrieb verpflichtete, Sicherheitswarte (vergleichbar Sicherheitsbeauftragte) und Werksärzte zu bestellen. In diesem Sinne gab es in den 1930ern Fortschritte im Arbeitsschutz, aber unter dem Primat, dass der Arbeiter als „Volksgenosse“ für den Kriegseinsatz fit bleiben sollte.
Im Bereich der Unternehmenssicherheit vor äußeren und inneren Bedrohungen baute das Regime rasch eine Verzahnung mit seinen eigenen Repressionsorganen auf. Die 1927 etablierten Regeln für das Bewachungsgewerbe wurden zunächst beibehalten. Doch 1936/37 kam es zu einer entscheidenden Änderung: Die Verordnung über den gewerblichen Wachdienst vom 14. Dezember 1937 unterwarf alle nichtstaatlichen Bewachungsunternehmen der sicherheitspolizeilichen Aufsicht. Dies bedeutete praktisch, dass private Sicherheitsfirmen nun der Gestapo bzw. dem SS-Sicherheitsdienst Meldung zu erstatten hatten und in ihre Führung häufig NSDAP-treue Personen eingebunden wurden. Viele kleinere Wachfirmen wurden geschlossen oder zwangsweise in größere, regimetreue Betriebe integriert. Einige private Wachgesellschaften existierten weiter, mussten aber NSDAP-Mitglieder in leitenden Positionen haben. Die Trennung zwischen privat und staatlich verwischte – de facto wurde das Sicherheitsgewerbe gleichgeschaltet.
Parallel professionalisierte der NS-Staat die Werksicherheit in strategisch wichtigen Unternehmen. Bereits ab 1934 richtete das Reichsluftfahrtministerium in Rüstungsbetrieben den Posten des Werkschutzleiters ein. 1938 folgte ein Erlaß über den Werkschutz: Betriebe, die für die Kriegswirtschaft wichtig waren, mussten einen betrieblichen Werkschutz aufbauen, der eng mit der Gestapo und der Werkschutzpolizei kooperierte. Jeder Rüstungsbetrieb unterstand nun einem Abwehrbeauftragten der Gestapo, der für alle Sicherheitsfragen im Betrieb verantwortlich war. Diesem Abwehrbeauftragten unterstand der betriebliche Werkschutz, der u. a. aus bewaffneten Wachmännern und – in den Kriegsjahren – auch aus vor dem Militärdienst freigestellten älteren Arbeitern bestand. Der Werkschutz hatte die Aufgabe, Werkspionage, Sabotage und „Zersetzung“ zu verhindern sowie die wachsend eingesetzten Zwangsarbeiter zu überwachen. In vielen großen Unternehmen (z. B. Volkswagen, IG Farben, Daimler-Benz) wurde der Werkschutz zum Hilfsorgan der Gestapo: Er meldete Verstöße von Zwangsarbeitern, saboteurverdächtige Handlungen oder oppositionelle Regungen direkt an die Geheime Staatspolizei. Dadurch entschied der Abwehrbeauftragte faktisch über Leben und Tod von Beschäftigten – etwa wenn ein ausländischer Arbeiter wegen kleinster Vergehen der Gestapo übergeben wurde und drakonische Strafen bis hin zur Hinrichtung erhielt. Unternehmenssicherheit war in dieser Zeit somit weitgehend staatliche Repression nach innen – die Firmen stellten das Personal, der Staat gab die Befehle.
Während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) steigerte sich diese Tendenz noch. Die Betriebe waren Teil der „Heimatfront“, und Sicherheit bedeutete in erster Linie Schutz der Produktion für den Krieg. Der Werkschutz wurde oft militärisch organisiert und bewaffnet. In Luftfahrtwerken existierten eigene Werkschutz-Bataillone mit Fliegerabwehr. Er sollte auch bei Luftangriffen für Ordnung sorgen, Brandschäden eindämmen und Plünderungen verhindern.
Zugleich blähte sich der Überwachungsapparat auf: SS und Gestapo hatten überall Zutritt, und der Nachrichtendienst (SD) sammelte Informationen über Stimmung und Zuverlässigkeit der Belegschaften. Beispielsweise war es dem Krupp-Werkschutz streng verboten, nur einen Funken von Illoyalität zu dulden – jeder Verdacht von Sabotage oder Defätismus wurde gemeldet. Unternehmen wurden regelrecht durchleuchtet, um maximalen Output sicherzustellen.
Für private Sicherheitsfirmen blieb im Krieg nur ein marginaler Raum. Einige traditionelle Wach- und Schließgesellschaften überlebten in den Städten und bewachten etwa Lagerhäuser oder handelten als Subunternehmer für kommunale Luftschutzaufgaben. Aber wegen Personalnot und Konkurrenz durch Partei-Organisationen (z. B. der Werkschar der DAF) verloren sie an Bedeutung. Viele Wachleute wurden zur Wehrmacht eingezogen oder in den Volkssturm gesteckt.
Ein düsteres Kapitel war die Verwicklung der Unternehmenssicherheit in NS-Verbrechen: Werkschutzleute bewachten KZ-Häftlinge in Außenlagern oder Zwangsarbeiter in Betrieben und waren nicht selten an Misshandlungen beteiligt. In der Automobilfirma Auto Union AG (Chemnitz) etwa war der Werkschutz maßgeblich an der harten Behandlung der 45 % Zwangsarbeiter beteiligt. Verantwortungsträger aus Unternehmen, die formal für Sicherheit zuständig waren, entzogen sich nach dem Krieg oft der Rechenschaft – ein Beispiel ist John Greve, Direktor der Astra-Werke, dessen Abwehrbeauftragter (Gestapo-Mann) nach 1945 verurteilt wurde, während Greve selbst straffrei blieb.
Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit blieben im Krieg weitgehend auf dem Papier bestehen oder wurden zurückgefahren. Schon 1934 hatte das Regime eine Achtstundentag-Verordnung von Weimar wieder aufgeweicht. Mit Kriegsbeginn 1939 hob man viele Schutzvorschriften auf: Es galten nun 60-Stunden-Wochen, Verbot von Gewerkschaftseingaben usw. Zwar verkündete die DAF weiter Parolen von „unfallfreiem Arbeiten“, aber tatsächlich wurde Verschleiß und Übermüdung der Arbeitskräfte billigend in Kauf genommen. Nach schweren Unfällen oder in kriegswichtigen Betrieben griffen Berufsgenossenschaften zwar noch ein – etwa durch Einführung von Schutzeinrichtungen an Maschinen – doch die Priorität war Output, nicht Sicherheit. Dennoch war der Gedanke der Fürsorge nicht gänzlich verschwunden: Die DAF etablierte den Betriebsschutz als Teil der nationalsozialistischen Betriebsgemeinschaft – neben Werkschutz (gegen äußere Feinde) gehörten dazu auch Sanitätsdienst (für Verletzte) und Luftschutz. So sorgte man zumindest für organisierte Ersthelfer und Luftschutzwarte in jedem Betrieb.
Technologisch brachte der Krieg einerseits Zerstörung, andererseits Innovationen, die später zivil genutzt wurden. Zum Beispiel entwickelte Siemens 1942 das erste Videoüberwachungssystem („CCTV“), um den Abschuss von V2-Raketen in Peenemünde aus sicherer Entfernung zu beobachten – damit war eine Basistechnologie geboren, die nach dem Krieg in Sicherheitsleitsysteme einfloss. Auch die Radar- und Funktechnik machte Fortschritte, was spätere Alarmsysteme beeinflusste. In den Betrieben improvisierte man hingegen: Mancherorts nutzte man Wachhunde und Alarmpfiffe, anderswo installierte man primitive elektrische Melder an Zäunen. Einige Fabriken mit Hochsicherheitsprofil (z. B. U-Boot-Werften) erhielten Kombinationenschlösser und Ausweiskontrollen mittels Lochkarten. Insgesamt war die Sicherungstechnik aber vorrangig analog und personell – Elektronik spielte noch eine Nebenrolle.
Am Ende des NS-Regimes lagen viele Betriebe in Trümmern, und mit ihnen die Strukturen der Unternehmenssicherheit. Das Konzept der vollends staatlich durchdrungenen Sicherheit war zusammengebrochen. Vor den Firmen lag der mühsame Wiederaufbau – in einem gespaltenen Land, was auch zwei sehr unterschiedliche Wege in der Sicherheitspolitik mit sich brachte.
Neubeginn und Differenzierung in West und Ost (1945–1980) - Westdeutschland: Vom Wiederaufbau zur modernen Unternehmenssicherheit
In den Westzonen Deutschlands und ab 1949 in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) stand zunächst der Wiederaufbau der Wirtschaft im Vordergrund. Sicherheit rangierte in den unmittelbaren Nachkriegsjahren nicht oben auf der Prioritätenliste der Unternehmen – wichtiger waren Produktion, Versorgung und die Wiedereinstellung von Arbeitskräften. Viele Werkschutzorganisationen waren durch den Krieg personell und materiell ausgelaugt. Hinzu kam, dass die Alliierten jede Form von paramilitärischer Organisation verboten. Private Werkschützer durften zunächst keine Schusswaffen tragen; Uniformen durften nicht militärisch aussehen. Die Entnazifizierung führte zudem dazu, dass frühere Werkschutzleiter mit NS-Vergangenheit oft entlassen wurden.
In dieser Situation mussten sich die privaten Sicherheitsdienste neu erfinden. In der SBZ/DDR wurde das gesamte Sicherheitsgewerbe 1949 verstaatlicht, aber in den Westzonen lebte es langsam wieder auf. Bereits 1948 – kurz nach der Währungsreform – wuchs in Westdeutschland der Bedarf an Objektschutz (gegen Diebstähle, Plünderungen). Einige alte Wach- und Schließgesellschaften nahmen ihre Tätigkeit wieder auf oder neue Firmen entstanden. Die US-Militärregierung beobachtete dies kritisch, erlaubte aber bald lokale Wachdienste etwa zum Schutz von US-Lagerhallen oder Bahnhöfen. Mit Gründung der BRD 1949 griff das Gewerberecht wieder: Nach wie vor galt die Erlaubnispflicht für das Bewachungsgewerbe (basierend auf der 1927er Regelung). In der Praxis erteilten die kommunalen Ordnungsämter diese Bewachungserlaubnis relativ großzügig, solange keine Bedenken gegen Zuverlässigkeit bestanden.
Ein Kuriosum der späten 1940er war, dass zahlreiche ehemalige Wehrmachts- oder Polizeioffiziere keinen Platz in der neuen demokratischen Ordnung fanden und daher in privaten Sicherheitsdiensten anheuerten. So kam es, dass private Wachdienste in Westdeutschland zeitweise ein „Auffangbecken“ für frühere Militärs waren – ähnlich wie es nach 1918 mit manchen Freikorps gewesen war. Allerdings – anders als 1918 – bestand nach 1945 in Westdeutschland kein großer Bedarf an paramilitärischen Privattruppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung, da die Alliierten und die junge westdeutsche Polizei diese Rolle übernahmen. Somit spielten frühere Militärs bei privaten Wachdiensten zwar als Personal eine Rolle, aber nicht als politischer Faktor.
In den 1950er Jahren stabilisierten sich die Werkschutzorganisationen in den Unternehmen allmählich wieder. Viele Großunternehmen gründeten in dieser Zeit offizielle Werkschutzabteilungen oder Konzernsicherheitsstäbe. Diese kümmerten sich um den klassischen Objektschutz (Tore, Patrouillen, Brandschutz) und oftmals auch um Unfallverhütung. Der Arbeitsschutz erfuhr nämlich in Westdeutschland eine Renaissance: Die Berufsgenossenschaften nahmen ihre Präventionsarbeit wieder auf, Arbeitsschutzausschüsse wurden eingerichtet (verankert im Betriebsverfassungsgesetz 1952). 1953 trat zudem die neue Unfallverhütungsvorschrift „Werkschutz“ der chemischen Berufsgenossenschaft in Kraft, die genau regelte, wie Werkschutzleute zu qualifizieren und auszurüsten seien – ein frühes Beispiel eines Sicherheitsstandards durch eine Normierungsgemeinschaft.
Von staatlicher Seite gab es im Bereich der privaten Sicherheitsdienste zunächst wenig neue Gesetzgebung. Allerdings hob man 1960 einige Nazi-Verordnungen auf und integrierte stattdessen in die Gewerbeordnung einen modernisierten Paragraphen § 34a GewO. Durch diese Änderung (4. GewO-Novelle 1960) wurden die Regeln für die Bewachungserlaubnis nun bundesgesetzlich festgeschrieben, inklusive Gründe zur Versagung (z. B. Unzuverlässigkeit, fehlende Mittel). Außerdem erhielt nun der Bundeswirtschaftsminister die Befugnis, durch Rechtsverordnung das Bewachungsgewerbe näher zu regeln. Von dieser Befugnis wurde Gebrauch gemacht: 1961 erging die erste Bewachungsverordnung, die Vorschriften zu Versicherung, Ausweis, Dienstkleidung etc. enthielt. Damit war in der BRD ein klarer Rechtsrahmen etabliert, der im Kern bis heute (mit Anpassungen) gilt. Die Neuordnung spiegelte die wachsende Bedeutung der Branche wider – in den 50ern und 60ern stieg die Zahl der privaten Sicherheitsfirmen und ihrer Mitarbeiter stetig an.
Während der Wirtschaftswunderzeit war die Sicherheitslage in Westdeutschland vergleichsweise günstig: Politische Konflikte hielten sich in Grenzen, und die Kriminalitätsraten waren moderat. Unternehmenssicherheit konzentrierte sich daher vornehmlich auf klassische Gefahren wie Diebstahl, Einbruch und Betriebsunfälle. Spionage und Sabotage allerdings blieben in Zeiten des Kalten Krieges latent präsent – insbesondere in Rüstungs- und High-Tech-Unternehmen. Westdeutsche Firmen galten dem Ostblock als lohnende Ziele für Industriespionage. Fälle wie der 1961 aufgedeckte Diebstahl von Bundeswehr-Raketenbauplänen durch DDR-Agenten sensibilisierten Großunternehmen. Als Reaktion bildeten führende Industrieunternehmen in den 1960ern den Arbeitskreis „Gemeinschaft zum Schutz der Deutschen Wirtschaft“ (GSW). Diese private Organisation – finanziert von der Industrie – sollte über Spionagegefahren informieren und Abwehrstrategien entwickeln. Allerdings war das Engagement der Unternehmen oft zögerlich: Die GSW musste mangels Finanzierung 1968 ihren Betrieb einstellen. Ein Nachfolger, die Koordinierungsstelle für Sicherheitsfragen (Köln), arbeitete ab 1970 mit begrenztem Erfolg. Viele westdeutsche Firmen unterschätzten noch die Gefahren gezielter Wirtschaftsspionage; so klagte ein Sicherheitsexperte 1974, „90 % der deutschen Werkschützer sind Obernachtwächter und gar nicht in der Lage, das geistige Eigentum der Firmen zu schützen“.
Ein drastischer Weckruf für die Unternehmenssicherheit war jedoch die Welle des Terrorismus und der politischen Gewalt in den 1970er Jahren. Die linksextremistische Rote Armee Fraktion (RAF) und ähnliche Gruppen verübten ab 1972 Bombenanschläge, Entführungen und Mordanschläge, die sich auch gegen Vertreter der Wirtschaft richteten (z. B. die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer 1977). Plötzlich rückten Unternehmen ins Fadenkreuz politisch motivierter Täter. Viele Konzerne reagierten, indem sie ihre Konzernsicherheit stark ausbauten: Personenschutz für gefährdete Manager, gepanzerte Dienstwagen, Ausbau der Zutrittskontrollen in Verwaltungszentralen, striktere Ausweiswesen und Besucherregelungen. Betriebsgelände wurden durch Zäune, Schranken und Wachdienste stärker abgeschirmt. So führte Daimler-Benz nach einem Bombenanschlag 1979 ein elektronisches Zugangsüberwachungssystem in Stuttgart ein, und andere folgten. Die Versicherungswirtschaft drängte ebenfalls auf Verbesserung des Objektschutzes, etwa durch Alarmanlagen und Wachdienste, was z. B. bei Banken Standard wurde.
Zugleich stieg die Nachfrage nach privaten Sicherheitsdiensten enorm. In den 1970er Jahren gründeten sich viele neue Sicherheitsfirmen oder internationale Konzerne betraten den deutschen Markt (z. B. Securitas AB aus Schweden übernahm 1972 eine Bonner Wachgesellschaft). Die Branche professionalisierte sich – Fachverbände wie der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) (Vorläufer BDSW) setzten Qualitätsmaßstäbe. Es entstanden Ausbildungsberufe: 1972 wurde der Lehrberuf „Werkschutzfachkraft“ geschaffen, später modernisiert zur „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“. Diese Maßnahmen trugen langfristig zu einer Professionalisierung der Unternehmenssicherheit bei.
Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit entwickelten sich in Westdeutschland ebenfalls weiter: 1973 wurde das wichtige Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) erlassen. Dieses verpflichtete Betriebe, Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure zu bestellen, und gründete die betriebliche Arbeitsschutzausschüsse. Damit wurde erstmals eine feste organisatorische Verankerung der Arbeitssicherheit in Unternehmen gesetzlich vorgegeben. Auch die Arbeitsstättenverordnung (1975) und die Gefahrstoffverordnung (1980) verbesserten die präventive Sicherheit am Arbeitsplatz. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer wurde durch die Betriebsverfassungsnovelle 1972 gestärkt, was auch die Überwachung von Sicherheits- und Umweltstandards einschloss.
Technologisch brachten die 1960er und 1970er Jahre einen Quantensprung: die Ära der Elektronik hielt Einzug. In vielen Unternehmen wurden mechanische Schlösser ergänzt oder ersetzt durch elektronische Schließsysteme. Erstmals kamen Alarmzentralen zum Einsatz, die Einbruchmelder, Brandmelder und Überfallknöpfe zusammenfassten. Ab den späten 60ern verbreitete sich die Videoüberwachung: Zunächst installierten Banken CCTV-Kameras an Schalterhallen und Tresorräumen, später nutzten auch Kaufhäuser und Bahnhöfe Kameras zur Diebstahlprävention. Bewegungsmelder auf Infrarot-Basis (PIR-Sensoren) wurden in Alarmsysteme integriert. Ein findiger Ex-Geheimdienstler verkaufte in den 70ern an deutsche Firmen den Luxomat, eine Infrarot-Lichtschranke als Einbruchalarm. Zutrittskontrolltechnik entwickelte sich von einfachen Zahlenschlössern hin zu Magnetkartenlesern, wie sie Ende der 70er bei einigen Hochhäusern installiert wurden.
Auch die IT fand erste Anwendung: Großrechner gesteuerte Alarmanlagen tauchten Ende der 70er auf, z. B. bei BASF. Allerdings steckte die Integration von EDV in Sicherheit noch in Anfängen – die meisten Systeme waren analog oder elektromechanisch.
Insgesamt zeichnet sich für Westdeutschland bis 1980 ein immer umfassenderes Verständnis von Unternehmenssicherheit ab: Neben dem physischen Objektschutz und Personenschutz traten Informationsschutz, Arbeitssicherheit und Krisenmanagement (z. B. gegen Terror) als Felder hinzu. Unternehmen begannen, Sicherheitsfunktionen auf Management-Ebene anzusiedeln (Sicherheitsdirektor, Werkschutzleiter mit Stabsfunktion). Dennoch wurde vieles noch als Kostenfaktor gesehen; erst weitere Entwicklungen sollten Sicherheit als integralen Bestandteil der Unternehmensführung etablieren.
Ostdeutschland (DDR): Staatlicher Werkschutz unter sozialistischer Ägide
In der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR verlief die Entwicklung konträr: Hier gab es keine privaten Sicherheitsdienste. 1949 wurden die Reste des privaten Wachgewerbes vollständig verstaatlicht und der Sicherheitssektor konsequent dem Staat unterstellt. Die DDR integrierte den Werkschutz in die Strukturen der Volkspolizei: Der betriebliche Objektschutz wurde von uniformierten Volkspolizisten (Abteilungen VP-Betriebsschutz) wahrgenommen, teilweise unterstützt von sogenannten Betriebskampfgruppen (werksangehörige Milizen) und hauptamtlichen Werkschutzkräften, die aber staatlich gelenkt waren. In jedem größeren Volkseigenen Betrieb (VEB) existierte eine Abteilung Werkschutz, deren Mitarbeiter formal Zivilpersonen waren, praktisch jedoch den Weisungen des Ministeriums des Innern bzw. der Stasi unterstanden. Sie trugen meist blaue oder graue Uniformen mit der Aufschrift "Werkschutz" und waren bewaffnet. Ihre Aufgaben entsprachen teils dem West-Werkschutz (Diebstahlverhinderung, Tor-Kontrollen), umfassten aber auch politische Überwachung der Belegschaft im Sinne der sozialistischen Ideologie.
Die Arbeitssicherheit in der DDR war gesetzlich stark geregelt – offiziell wurde großer Wert auf den Schutz des sozialistischen Arbeiters gelegt. Ein ausgebautes System von Betriebsärzten, Sicherheitsinspektoren und betrieblichen Arbeitsschutzkommissionen existierte. Allerdings mangelte es oft an Ressourcen und moderner Technik; Unfallschutz hatte Grenzen aufgrund maroder Anlagen.
Nach der Wiedervereinigung 1990 brach das DDR-System schlagartig weg. Plötzlich standen Tausende ehemalige Werkschutzleute und sogar Stasi-Personal ohne Funktion da – viele von ihnen drängten nun in den entstehenden privaten Sicherheitsmarkt Ostdeutschlands.
Wiedervereinigung und Globalisierung: Unternehmenssicherheit seit 1990
Die deutsche Wiedervereinigung 1990 führte zu einer explosionsartigen Ausweitung der Sicherheitswirtschaft. In Ostdeutschland tat sich quasi über Nacht ein neuer Markt auf: Staatliche Bewachungsstrukturen verschwanden, während gleichzeitig das subjektive Unsicherheitsempfinden der Bevölkerung (bedingt durch wirtschaftliche Umbrüche und Kriminalitätsanstieg in den 90ern) hoch war. Zugleich standen viele ehemalige Angehörige des DDR-Sicherheitsapparats (MfS, Volkspolizei, NVA) vor Arbeitslosigkeit – eine erhebliche Zahl von ihnen gründete oder verstärkte nun private Sicherheitsfirmen. Die Einstiegshürden waren niedrig: die Gewerbeordnung §34a galt zwar, doch die Anforderungen (polizeiliches Führungszeugnis, Zuverlässigkeitsprüfung) konnten von den meisten erfüllt werden. So schwammen etliche ehemals staatliche „Sicherheitsprofis“ auf der Privatisierungswelle mit und brachten Know-how (und teils undurchsichtige Netzwerke) in die Branche ein. Politisch war dies nicht unumstritten – Stichwort „rote Socken in der Sicherheit“, doch der Bedarf an Wachschutz für plötzlich privatisierte Objekte (Industrieanlagen, leerstehende Kasernen, Asylheime etc.) war enorm.
Insgesamt schoss die Zahl der Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe in Deutschland in die Höhe: Von ca. 30.000 Personen im Jahr 1980 über 56.000 im Jahr 1990 stieg sie Mitte der 1990er auf über 100.000 und bis zur Jahrtausendwende auf 140.000 Angestellte. Dieses Wachstum spiegelt nicht nur den Nachholeffekt in Ostdeutschland wider, sondern auch eine generelle Trendwende in der Sicherheitspolitik: Seit den 1990ern verlagerte der Staat vermehrt Aufgaben auf Private, und Unternehmen outsourcten interne Sicherheitsdienste an externe Anbieter. Diese Privatisierung von Sicherheitsaufgaben war Teil eines internationalen Trends (Stichwort Public-Private Partnership in der Sicherheit). In Deutschland zeigte sie sich z. B. darin, dass Flughäfen, Kernkraftwerke oder Bundesbahn zunehmend private Wachdienste einsetzten, oft unter staatlicher Aufsicht. 1995 wurde per Luftsicherheitsgesetz die Fluggastkontrolle an Flughäfen zwar dem Bundesgrenzschutz unterstellt, aber die Durchführung an private Dienstleister delegiert – ein frühes Modell von Sicherheitsprivatisierung im öffentlichen Raum.
Auch Unternehmen selbst nutzten verstärkt Fremdfirmen: Anstatt einen eigenen Werkschutz zu betreiben, wurden Dienstleister beauftragt, Wach- und Empfangsdienste zu übernehmen. Große Sicherheitsunternehmen wie Kötter, Securitas, Group 4 oder Klüh Facility Services expandierten und boten Full-Service-Pakete von Pforte über Patrouille bis Notrufleitstelle an. Die Facility Management-Branche, die seit den 1980ern in Deutschland Fuß fasste (Gründung der GEFMA 1989), integrierte Sicherheitsdienstleistungen als Teil des Gebäudemanagements. Für viele Firmen erschien es ökonomisch sinnvoll, Sicherheit in den allgemeinen Facility-Betrieb einzugliedern, wo es als Sekundärprozess mitverwaltet oder outgesourct wurde. Dies hatte zwei Auswirkungen: Einerseits ermöglichten Professionalität und Skaleneffekte der spezialisierten Anbieter oft qualitativ gute Lösungen zu geringeren Kosten. Andererseits bestand die Gefahr, dass Sicherheit im Streben nach Kosteneffizienz vernachlässigt wird – ein Spannungsfeld, das bis heute diskutiert wird. Jedenfalls wurde seit den 1990ern die Rolle des Security Managements in Unternehmen zunehmend strategisch: Chief Security Officer (CSO) oder Konzernsicherheitsleiter wurden Teil des Managementteams, um Risiken proaktiv zu steuern – sei es im personellen, materiellen oder informationellen Bereich.
Die 1990er und 2000er brachten auch neue Bedrohungen mit sich, die das Verständnis von Unternehmenssicherheit erweiterten. Hervorzuheben sind vier Phänomene:
Internationaler Terrorismus: Mit Anschlägen wie 9/11 (2001) wurde deutlich, dass auch westliche Wirtschaftsinteressen global gefährdet sind. Deutsche Firmen mit Auslandspräsenz verstärkten ihr Reisesicherheitsmanagement und Krisenpläne. Auch im Inland wurden Konzepte für den Schutz sogenannter weicher Ziele (z. B. Einkaufszentren, Firmenveranstaltungen) entwickelt, oft in Kooperation mit Behörden. Nach 9/11 richteten viele Konzerne Krisenstäbe ein und simulierten Evakuierungen, Bombendrohungen etc., was zuvor selten war.
Organisierte Kriminalität und Sabotage: Die organisierte Kriminalität (z. B. osteuropäische Diebesbanden) rückte in den 90ern ins Blickfeld. Großunternehmen investierten in Werksgeländesicherung (Zutrittsausweise mit Chip, Perimeterzaun mit Sensorik) um Diebstähle zu unterbinden. Sabotageakte durch frustrierte (Ex-)Mitarbeiter oder Aktivisten (z. B. Tierbefreier, Globalisierungsgegner) traten auf. Beispielsweise wurden in den 2000ern mehrfach Brandanschläge auf Infrastruktur und Firmenfahrzeuge registriert, sodass Unternehmen Schutzkonzepte auch für solche unkonventionellen Täter entwickeln mussten.
Wirtschafts- und Industriespionage: In der globalisierten Wissensökonomie wurde Informationssicherheit zum zentralen Feld. Fälle von Konkurrenzausspähung – teils durch fremde Nachrichtendienste – nahmen zu. Unternehmen reagierten mit strikteren Geheimhaltungsrichtlinien, Abhörschutzmaßnahmen (Konferenzräume auf Wanzen prüfen) und sensibilisierten Mitarbeiter für Social Engineering. Insbesondere seit den 2010er Jahren, mit Enthüllungen wie Economic Espionage durch NSA oder chinesische Hackergruppen, ist der Schutz von IT-Systemen und digitalen Geschäftsgeheimnissen Kernaufgabe der Unternehmenssicherheit geworden.
Cyberkriminalität: Dies ist vielleicht der revolutionärste Wandel. Mit dem Internet und der vollständigen Digitalisierung von Geschäftsprozessen entstanden völlig neue Verwundbarkeiten. Bereits Mitte der 1990er richteten einige Großfirmen IT-Sicherheitsabteilungen ein. Die Gründung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Jahr 1991 unterstrich die nationale Bedeutung der Cyber-Sicherheit. In Unternehmen wuchsen IT-Security und klassische Security zusammen – der Begriff „Enterprise Security“ umfasst nun beides. Die 2000er brachten massive Viren- und Hackerangriffe (z. B. ILOVEYOU-Virus 2000, Stuxnet 2010), so dass IT-Risikomanagement Chefsache wurde. Ab ca. 2015 kamen Ransomware-Angriffe auf Firmen-IT hinzu, die Produktion und Lieferketten lahmlegen konnten. Die Unternehmenssicherheit musste daher Kompetenzen in Cyberabwehr, Incident Response und Backup-Strategien entwickeln. Hier arbeiteten Firmen eng mit dem BSI, dem Verfassungsschutz (Wirtschaftsschutz-Informationsdienst) und privaten Cyber-Dienstleistern zusammen.
Normen und Standards spielten seit den 1990ern eine immer wichtigere Rolle, um einheitliche Qualitätsniveaus in der Sicherheit zu gewährleisten. International setzten sich die ISO-Standards durch: ISO 9001 (Qualitätsmanagement) wurde von Sicherheitsfirmen genutzt, um ihre Prozesse zu zertifizieren, ISO 14001 (Umwelt) tangierte den Arbeitsschutz in Betrieben. Speziell im Security-Bereich kamen Normen wie ISO/IEC 27001 (Informationssicherheits-Managementsystem, erstmals 2005) hinzu, nach denen viele deutsche Unternehmen – insbesondere in kritischen Sektoren – ihre IT-Sicherheit zertifizieren ließen. Für physische Sicherheit schuf die Internationale Normung z. B. ISO 22301 (Business Continuity Management) oder ISO 18788 (Managementsystem für private Sicherheitsoperationen, 2015), welche auch hierzulande Verbreitung finden.
Auf nationaler Ebene gab es ebenfalls Standardisierungsbemühungen: Das Deutsche Institut für Normung (DIN) veröffentlichte 2002 erstmals die Norm DIN 77200 „Sicherheitsdienstleistungen“, die einheitliche Qualitätsmaßstäbe für Wach- und Schutzdienste definiert. Diese Norm (2002, überarbeitet 2008 und 2017) dient als Benchmark für Auftraggeber bei der Ausschreibung von Sicherheitsleistungen und ermöglicht zertifizierte Qualität. Viele Sicherheitsdienstleister ließen sich freiwillig nach DIN 77200 auditieren, um Professionalität zu demonstrieren. Auch VDI-Richtlinien trugen zur Sicherheitstechnik bei – z. B. VDI 4062 (Evakuierungskonzepte) oder VDI 2182 (IT-Security in Produktionsanlagen). Spezifische Branchenstandards existieren ebenfalls, etwa die VdS-Richtlinien (Verband der Sachversicherer) für Einbruchmeldeanlagen, Brandmelder, Tresore etc., die Versicherer zur Bedingung für Versicherungsschutz machen.
Der Staat blieb ebenfalls aktiv: Angesichts einiger Skandale (z. B. Übergriffe durch Sicherheitsdienstmitarbeiter in Flüchtlingsheimen 2014) wurde der Ruf nach schärferer Regulierung laut. 2016/2017 verschärfte man §34a GewO: Es wurden eine zentralisierte Zuverlässigkeitsüberprüfung und erweiterte Sachkundeanforderungen eingeführt. Zudem wird seit den 2010er Jahren ein eigenständiges Sicherheitsgewerbegesetz diskutiert, um die Fragmentierung der Vorschriften zu beseitigen. Ein Entwurf liegt vor (Stand 2022), der u. a. ein zentrales Bewachungsregister, höhere Qualifikationen und klar definierte Befugnisse für private Sicherheitskräfte vorsieht. Dies wäre die größte Reform seit 1927/1960.
Auch im Arbeitsschutz kamen neue Impulse durch EU-Richtlinien: 1996 trat das Arbeitsschutzgesetz in Kraft, das als Rahmen alle Arbeitgeber verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen und Arbeitsschutz als Managementaufgabe zu verankern. Themen wie Betriebliches Notfallmanagement, Brandschutzordnung und psychische Belastungen wurden vermehrt aufgegriffen. Hier überschneiden sich klassische Security (Schutz vor externen Gefahren) und Safety (Schutz vor Unfällen) – beispielsweise beim Brandschutz oder beim Schutz gegen Amokläufe, wo sowohl Prävention als auch Reaktion essenziell sind. Die Kooperation zwischen Sicherheitsabteilung und Arbeitssicherheitsfachkraft wurde vielerorts enger, um ganzheitliche Notfallpläne (etwa Evakuierungsübungen, Erste-Hilfe-Teams bei Zwischenfällen) zu entwickeln.
Ein weiterer Aspekt seit den 1980er/90er Jahren ist das Aufkommen von Facility Management (FM) und dessen Einfluss: Sicherheitsdienste wurden oft Teil von FM-Konzepten, was zu Synergien aber auch Interessenkonflikten führte. Einerseits ermöglicht FM den integrierten Blick auf alle gebäudebezogenen Risiken (von technischem Ausfall bis Einbruch), andererseits besteht die Gefahr, dass Sicherheitsbelange in einem kostengetriebenen FM untergeordnet werden. Professionelle FM-Verbände wie GEFMA entwickelten daher Richtlinien, die die Sicherheit als Kernaufgabe definieren. In großen Unternehmen blieb die Konzernsicherheit meist eigenständig und strategisch, während operative Aufgaben (Empfang, Patrouille, Schließdienste) via FM oder Outsourcing gemanagt wurden. So entstand ein mehrstufiges Sicherheitsmodell: strategische Führung intern, operative Umsetzung oft extern. Dieser Trend hält an, mit dem Fokus auf Kernkompetenzen – die Kernkompetenz eines Automobilbauers ist nicht die Bewachung, daher lagert er diese an Profis aus.
Technologisch schreitet seit 2000 die Digitalisierung und Automatisierung rasant voran. Moderne Firmen nutzen Zutrittskontrollsysteme mit Biometrie, flächendeckende HD-Videoüberwachung mit intelligenter Analysesoftware (etwa automatische Personenerkennung, Zäune mit Bewegungssensoren, Kennzeichenerkennung an Toren). Die Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug: KI-basierte Videoanalysen erkennen verdächtiges Verhalten, Drohnen patrouillieren autonom über Werksgelände, Algorithmen identifizieren Cyberangriffe in Echtzeit. Sicherheitsleitstellen arbeiten digital vernetzt und steuern via Building Management Systems sämtliche Sicherheitseinrichtungen zentral. Die konvergierte Sicherheit („Security 4.0“) integriert IT und physische Überwachung – z. B. schlagen Zugangssysteme Alarm, wenn an einem Rechner unautorisierte Zugriffe erfolgen. Gleichzeitig entstehen neue Schwachstellen (Stichwort IoT-Security, wenn Zutrittssysteme gehackt werden). Unternehmenssicherheit muss heute also interdisziplinär denken: Brandschutz, IT-Sicherheit, Objektschutz, Personenschutz, Notfallplanung – alles verzahnt sich.
Normen wurden entsprechend angepasst: ISO 27001 und ISO 22301 (Business Continuity) sind weit verbreitet; in Deutschland entwickelt das BSI branchenspezifische Sicherheitsstandards, etwa für Energieversorger (KRITIS). Das BSI etablierte sich überhaupt als zentrale Instanz: Es gibt jährlich Lageberichte zur IT-Sicherheit heraus und hat mit dem IT-Grundschutz ein Kompendium geschaffen, das Unternehmen als De-facto-Standard nutzen. Auch private Initiativen wie die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) oder Branchenverbände (BHE für Sicherheitstechnik, VdS Schadenverhütung) erarbeiten laufend neue Richtlinien.
Zusammengefasst hat sich seit 1990 die Unternehmenssicherheit pluralisiert und professionalisiert: Eine florierende Sicherheitswirtschaft mit Hunderten von Anbietern übernimmt viele Aufgaben; gleichzeitig bleiben staatliche Akteure präsent (Polizei, Verfassungsschutz beraten Wirtschaft, BSI schützt kritische Infrastrukturen). Unternehmen sind gefordert, ein ganzheitliches Sicherheitsmanagement aufzubauen, das die Wechselwirkungen zwischen physischen und digitalen Risiken beachtet und sich an Best-Practice-Standards orientiert.
Während früher Sicherheit oft reaktiv auf Ereignisse verbessert wurde (etwa mehr Schutz nach einem Diebstahl oder Anschlag), geht der Trend zur präventiven, risikobasierten Unternehmenssicherheit: Threat Assessments, regelmäßige Audits, Hintergrundchecks beim Personal, Schulungen für Mitarbeiter (z. B. Security Awareness im IT-Bereich, Schulung zum Verhalten bei Überfall oder Amok). Auch die Kultur der Sicherheit hat sich gewandelt – weg vom reinen Schutz von Gütern hin zur Resilienz des Unternehmens insgesamt. Sicherheitsverantwortliche sprechen die Sprache des Risikomanagements und der Compliance, was die Akzeptanz in den Chefetagen erhöht hat.
Wichtige Meilensteine der Unternehmenssicherheit in Deutschland (Chronologie)
1839 (Preußen) – Regulativ zum Schutz arbeitender Kinder (erstes Arbeitsschutzgesetz).
1850er–1870er – Alfred Krupp etabliert internen Werkschutz und Geheimnisschutz (Treueeid 1850er, Sicherheitskodex 1872).
1884 – Unfallversicherungsgesetz: Berufsgenossenschaften gründen Werksprüfdienste, Start der institutionalisierten Unfallverhütung.
1892 – Polizeikostengesetz reorganisiert Nachtwachdienst: Schub für private Wachunternehmen.
1901 – Gründung der ersten Wach- und Schließgesellschaften in Hannover und Köln; Beginn des organisierten privaten Sicherheitsgewerbes.
1904 – Zusammenschluss mehrerer Wachgesellschaften (Kölner Verband) mit >2000 Wachleuten.
1914–18 – Erster Weltkrieg: Kooperation privater Wachdienste mit Staat, Werkschutz bewaffnet, Sicherheitsfrauen mit Hunden eingesetzt.
1920 – Betriebsrätegesetz in Weimar: Arbeitnehmerüberwachung der Arbeitsschutzvorschriften (§§ BetrVg) beginnt.
1927 – Reichsgesetz: Bewachungsgewerbe wird erlaubnispflichtig (erstmals staatliche Regulierung privater Sicherheitsunternehmen).
1933 – DAF ersetzt Gewerkschaften, propagiert betrieblichen Arbeitsschutz; Gleichschaltung auch im Werkschutz.
1937 – VO über den Wachdienst: Private Sicherheitsdienste unter Gestapo/SS-Aufsicht gestellt.
1939–45 – Zweiter Weltkrieg: Werkschutz als Teil der NS-Kriegswirtschaft (Gestapo-Abwehrbeauftragte in Betrieben); Sicherheitsstandards zugunsten Produktionszwang ausgesetzt.
1949 – DDR verstaatlicht Sicherheitswesen; Werkschutz integriert in Volkspolizei-Strukturen. BRD behält §34a GewO (Erlaubnis für Bewachung) bei.
1960 – Neufassung §34a GewO in BRD: Modernisierte gewerberechtliche Basis, Erlass der Bewachungsverordnung 1961.
1972–77 – RAF-Terror führt zu Ausbau der Konzernsicherheit (Personenschutz, Zugangskontrollen, Alarmtechnik).
1973 – Arbeitssicherheitsgesetz verpflichtet westdeutsche Unternehmen zu Sicherheitsingenieur und Betriebsarzt (institutionalisiert Arbeitssicherheit).
1980er – Einführung Facility Management (FM) in Dtl. (GEFMA 1989); Outsourcing-Trend von Sicherheitsdiensten beginnt.
1990 – Wiedervereinigung: Boom des privaten Sicherheitsgewerbes in Ostdeutschland (Verdoppelung Personal 1990–95). Ehem. DDR-Werkschützer gründen zahlreiche Wachfirmen.
1991 – Gründung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als Reaktion auf wachsende IT-Risiken.
2001 – 11. September: Terroranschläge führen global zu erhöhter Sicherheit, in Dtl. z. B. bewaffnete Flugsicherheitskontrollen, Konzern-Krisenstäbe.
2002 – DIN 77200 veröffentlicht: Erster nationaler Qualitätsstandard für Sicherheitsdienstleister.
2005 – ISO/IEC 27001 (Informationssicherheit) wird internationaler Standard – viele deutsche Firmen lassen ihre IT-Sicherheit zertifizieren.
2010er – Zunahme von Cyberangriffen (Stuxnet 2010, WannaCry 2017 etc.) erzwingt Integration von Cybersecurity ins Unternehmens-Risikomanagement.
2018 – EU-DSGVO tritt in Kraft: setzt Rahmen auch für Videoüberwachung und Umgang mit sicherheitsrelevanten Mitarbeiterdaten (Compliance-Aspekt der Sicherheit).
2020 – COVID-19-Pandemie: Unternehmen erweitern Sicherheitskonzept um Infektionsschutz, Krisenstab-Pandemie, Umgang mit Verschwörungsprotesten – neuer Aspekt biologischer Sicherheit.
